Flygskam

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Gewimmel in der Caló. Copyright: ELV-Press International

So voll war die Halle C im Flughafen Tegel noch nie. Wir stehen in einer Doppelreihe, die sich erst ganz am Ende des Gebäudes umkehrt. Oha, das kann ja heiter & spannend werden. Erstaunlicherweise geht es dann rasch voran – ratzpatz sind wir unser Gepäck los. Die Maschine kann erst mit knapp einer Stunde Verspätung starten, denn wir bekommen im Luftraum über der Schweiz und Frankreich keine slots. Ob ein paar andere Reisende auch Flugscham empfinden? Der Klimawandel scheint ja in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein, die Grünen liegen in den Umfragen vorne. Diese Partei wählen und munter weiter fliegen, das passt eigentlich nicht zusammen.

Vertraut man der Süddeutschen Zeitung (01./02.06.2019), dann kam der Begriff „Flygskam“ 2016 in Schweden auf. Ich habe davon erst vor ein paar Wochen gehört und fliege das erste Mal mit Flugscham – sinnigerweise auf die deutsche Lieblingsinsel. Schnell mal auf dem Portal atmosfair ausrechnen lassen, wieviel COich auf meinem Hin- und Rückflug verbrauchen werde:  671 kg CO2, Ein Jahr Autofahren (Mittelklasse, 12.000 km) verbraucht zum Vergleich 2.000 kg CO2. Ich werde für meine Reise 16 € an atmosfair für Klimaprojekte spenden, aber dieser Ablasshandel fürs gute Gewissen  (DlF) täuscht darüber hinweg, dass wir zu viel & zu billig fliegen. In Tegel und Schönefeld wurden im ersten Halbjahr 2019 fast 12% mehr Fluggäste gezählt – mit und ohne Scham.

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Im Paradies ist keiner allein. Die Feuerquallen sind mit bloßem Auge besser zu erkennen als auf dem Agenturfoto. Copyright: ELV Press International

Der Fluch des Massentourismus hat auf Mallorca auch die letzten Geheimtipps kassiert – Google Maps sei Dank. Wir fahren abends zu einer der schönsten Buchten der Insel. Über die Caló des Moro heißt es in GEO Saison (Juni 2014): „Einheimische haben sämtliche Wegweiser abmontiert, um die Felsbucht mit Mini-Sandstrand unauffindbar zu machen.“ Vor drei Jahren war‘s schon voll dort, heuer war‘s schlimmer als im Kreuzberger Prinzenbad. Fluchtartig verlassen wir den sog. Geheimtipp und springen in „La Gruta“ ins Wasser. Aber auch in unserem Paradies sind wir nicht alleine. Tags drauf sehen wir mit bloßem Auge gut hundert Feuerquallen im Wasser. Baden: ein Problem! Wir schwimmen in der Cala Mondragó umme Ecke, nicht alleine, aber ohne Quallen. Wir kommen wieder und lassen uns wieder auf den modernen Ablasshandel ein. Zumindest das!

Ein Kommentar zu „Flygskam

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