
Plötzlich ist der Winter gekommen, und es ist kalt geworden. Trotzdem werden wir global das heißeste Jahr seit Beginn der Klimaaufzeichnungen konstatieren müssen. Der Deutschen Bahn macht beides zu schaffen, weil man jahrelang auf Verschleiß gefahren ist. Die Reise nach Kassel beginnt in einem Ersatzzug; er ist deutlich kürzer, und die Reservierungen gelten hier natürlich nicht. Es gibt das übliche Durcheinander beim Einsteigen am Berliner Hauptbahnhof. Eine Rollstuhlfahrerin steht bis Wolfsburg im Gang, ebenso ihre Begleiter. Alltag bei der Deutschen Bahn, der sich noch deutlich verschlechtern wird, wenn keine Investitionen erfolgen. Von Kassel geht’s dann abends weiter nach Frankfurt. Der ICE kommt aus Stralsund und zuckelt auf der alten EC-Strecke durch deutsche Lande. So werden Wabern und Treysa zu ICE-Haltebahnhöfen. In Treysa geht die Reise erst einmal nicht weiter. Im vor uns liegenden Streckenabschnitt hat ein LKW einen Brückenpfeiler gerammt. Ein Statiker muss bei Nacht & Schnee her, um zu begutachten, ob unser Zug überhaupt noch über die Brücke fahren darf.
Uns schwant nichts Gutes, doch nach nur (!) einer Stunde zuckeln wir weiter. Wohl dem, der sich auf einen Statiker oder Handwerker verlassen kann. Insofern war die Bemerkung des CDU-Parteivorsitzenden wieder einmal daneben, als er den Bundeskanzler abmeierte. „Oppositionschef Friedrich Merz”, bilanziert die taz, “nannte Scholz einen ‚Klempner der Macht‘. Das trifft nicht ganz zu. Klempner sind sehr gefragt, Scholz eher nicht, seine Umfragewerte sind auf einem Tiefpunkt. Der Kanzler verpasste die Gelegenheit, den Trend umzukehren. Ein ‚Sorry, ich habe die Lage falsch eingeschätzt‘ hätte ihm geholfen“. (29.11.23) Dass sich heutzutage glücklich schätzen darf, wer zuverlässige Handwerker kennt, ist nur eines der vielen Probleme hierzulande. Unser Fliesenleger mit dem schönen Namen Thesenwitz und sein Bruder müssen das Geschäft einstellen – sie finden keinen Nachfolger, die Knie sind kaputt. Wer will noch 25kg Zement die Treppe hoch schleppen.
Eines muss man dem Kanzler aber lassen: er ist hart im Nehmen. “Der Spiegel” beschäftigte sich in einer Titelstory detailliert mit dem “Absturz eines Besserwissers. Wie Olaf Scholz das Land ins Finanzchaos führt” (25.11.23). Der “Kempner der Macht” zeigt sich unbeeindruckt von dieser Kampagne und wird zu Beginn der Weltklimakonferenz in Dubai eine Rede halten. Zur COP28 werden über 70.000 Teilnehmer:innen erwartet. Zweifel sind angebracht, ob die Weltgemeinschaft mehr zu Stande bringt als unverbindliche Absichtserklärungen und wohlklingende Verlautbarungen. Im Gepäck hat der Kanzler eine weitere juristische Niederlage: Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung als rechtswidrig verurteilt und sie zur Vorlage von Sofortprogrammen verpflichtet. Die Klimabilanz dieses Mammut-Gipfels dürfe jedenfalls verheerend ausfallen. Dem Klima wäre mehr gedient, würde man auf solche Spektakel verzichten. Das meinen nicht nur Zyniker.
