Wer viel mit der Deutschen Bahn unterwegs ist, weiß es sehr wohl zu schätzen, pünktlich und ohne Probleme ans Ziel zu kommen. Einen Ersatzfahrplan während eines Streiks habe ich bisher noch nie genutzt. Immer wieder schaue ich auf die App, ob der ICE wirklich fahren soll. Am Vortag meiner Fahrt von Hannover nach Berlin war der Zug ausgebucht, und mir schwante nichts Gutes. Was würde passieren, wenn er hoffnungslos überfüllt wäre oder gar nicht erst startet. Angeblich passiert das bei Normalbetrieb im Schnitt sechsmal pro Tag. Wenn nicht genug Fahrgäste von sich aus wieder aussteigen, räumt die Bundespolizei kurzerhand den Zug. Auf dieses Erlebnis muss ich noch ein bisschen warten. Der ICE kam pünktlich in Hannover an, erreichte das Ziel vor der Zeit und war nur durchschnittlich besetzt. Die meisten Kund:innen des Staatskonzerns trauten dem Ersatzfahrplan nicht. Bis Montagabend wird der längste Streik der Gewerkschaft der Lokomotivführer noch dauern und einen volkswirtschaftlichen Schaden von 1 Milliarde Euro anrichten.
Dagegen nehmen sich die Boni des Konzernvorstands für lächerliche Ziele geradezu läppisch aus. Dass diese Sonderzahlungen vom Aufsichtsrat genehmigt wurden, in dem auch Arbeitnehmervertreter sitzen, verschweigt Claus Weselsky, der Chef der Spartengewerkschaft mit gerade einmal 40.000 Mitgliedern, natürlich geflissentlich. Die gemütliche Inselbahn auf Langeoog zwischen Hafen und Ortskern gehört nicht zur Deutschen Bahn, fuhr aber an einem Tag trotzdem nicht. Wegen eines Sturmtiefs musste der Schiffsverkehr eingestellt werden; das Leben auf der autofreien Insel schien noch gemächlicher zu verlaufen. Im ruhigen Gleichmaß der Tage – zum Glück außerhalb der Saison – fügen wir uns in den Rhythmus der Insel. Die meisten Restaurants machen Winterpause; die wenigen geöffneten bieten abends warme Küche allenfalls bis 19 Uhr.
Trotz Internet sind wir der verrückten Welt ein gutes Stück entrückt. In Hamburg haben uns die Kinder eines Cousins noch Geschichten aus dem ganz normalen Wahnsinn an deutschen Gymnasien erzählt. Mathe unterrichtet ein Student, der nur Teile seines Fachs beherrscht, die Lateinlehrerin sucht Vokabeln bei Google, und der schräge Comedian von der Kneipe gegenüber versucht seine Fähigkeiten im Stand Up zu vermitteln. Besser irgendein Angebot ohne pädagogische Minimalkenntnisse als gar kein Unterricht scheint die Devise zu sein, nicht bloß in Hamburg. Da kommt das überraschende Ergebnis einer Studie der Bertelsmann-Stiftung wie gerufen. 2035 droht demnach eine Lehrerschwemme an deutschen Grundschulen. Eine andere aktuelle Untersuchung dürfte dagegen niemanden überraschen: Wie in der Katholischen gibt es auch in der Evangelischen Kirche sexualisierte Gewalt. Hier wie dort wird die Aufklärung hintertrieben und behindert. Beide Kirchen haben in den letzten Jahren Millionen Mitglieder verloren. So schaffen sich diese Glaubensgemeinschaften selbst ab.