
“Wie hältst Du Dich in all dem Wahn wacker?”, fragte mich kürzlich ein Freund. Meine Antwort: News reduce ist meine Methode, um dem allherrschenden Wahn zu trotzen. Morgens Nachrichten & Presse, dann Business und abends News – kein TV, keine Talk Shows und erst recht kein Social Media. Niemand kann die immer neuen Krisen auf der Welt noch verkraften. “Ich habe keine Lust mehr, auf die unsägliche Weltpolitik zu schauen”, schreibt Heidi Zehentner in “Speakers’ Corner” in der aktuellen Ausgabe von FRIZZ Das Magazin für Frankfurt & Vordertaunus. Das hört man derzeit häufiger, von durchaus politisch interessierten Menschen. Nicht Eskapismus bestimmt ihre Entscheidung, viele können die multiplen Krisen nicht mehr verkraften und besinnen sich auf ihr Leben und ihre persönlichen Probleme. Sie klinken sich immer wieder aus, um neue Kraft zu schöpfen. Deshalb sind Kurse, Ratgeber und Seminare zum Thema Achtsamkeit derzeit gefragt wie selten.
Trotzdem gehen wir in “Eine Show gegen die Gleichgültigkeit des Universums”, mit der das Festival MaerzMusik 2025 im ausverkauften Haus der Berliner Festspiele eröffnet wird. Der Aufwand ist gewaltig, der Anspruch ebenso. Unter der Leitung der Komponistin Brigitta Muntendorf und des Regisseurs Moritz Ernst Lobeck begibt sich MELENCOLIA, inspiriert von einem Kupferstich von Albrecht Dürer, “in sieben Tableaus auf die Suche nach dem befreienden melancholic mood” (Programm-Flyer). Mit von der Partie sind das Frankfurter Ensemble Modern, Mitglieder des Apollo Chors der Staatsoper Unter den Linden, digitale Gäste und KI-Stimmklone. Der Text im Flyer verspricht viel, was die Inszenierung keineswegs einzulösen vermag: “’MELENCOLIA’ überschreitet das vordergründig Spektakuläre, um das Publikum zur Selbstreflexion anzuregen – und nicht weniger als die Gleichgültigkeit des Universums herauszufordern.” Wow! Nach der Premiere gibt es herzlichen Applaus – womöglich doch nur für das vordergründig Spektakuläre. Das Universum bleibt davon bestimmt unberührt.
Den “melancholic mood” kennen die Kunden der Deutschen Bahn nur zu gut, aber nicht als Befreiung, im Gegenteil. Kurz vor dem Ziel- und Endbahnhof Frankfurt gibt es wieder einmal eine Weichenstörung. Der ICE muss über Aschaffenburg umgeleitet werden; am Ende haben wir 188 Minuten (!) Verspätung. Dass notwendige Investitionen des Staatskonzerns in die Infrastruktur seit Jahrzehnten unterlassen wurden, rächt sich jetzt bitter – und wird um so teurer. “Statt um jeden Preis die Bahn in die Profitabilität zu treiben”, mahnt die TAZ wieder einmal an, “sollte die kommende Regierung klar und deutlich anerkennen, dass die Bahn ein elementarer Teil der Daseinsvorsorge ist, den sich die Gesellschaft bewusst leistet.“ (28.03.25) Auf der Rückfahrt muss der Sprinter kurz vor Erfurt anhalten. Ein nachts überfahrener Bieber liege auf dem Gleis, informiert uns der Zugchef, um dann gleich noch einen draufzulegen. Der Bieber sei wieder auferstanden und würde nun von einem Jäger verfolgt. Weiter geht’s nach dieser amüsanten Einlage. Es gibt Fahrten, die man nie vergisst.



