
Der ICE kommt fast pünktlich (!) im Frankfurter Hauptbahnhof an. Schnell noch eine Brezel besorgt und weiter geht’s mit der Straßenbahnlinie 16 Richtung Offenbach – zur Gerbermühle. Der Sommerabend könnte schöner nicht sein, wir sitzen direkt am Main, Essen & Getränke holt man sich selbst. Abgeteilt von der Ebbelwoi-Wirtschaft ist der feinere Teil des Traditionslokals mit mehr Auswahl und Bedienung. Heuer findet unser kleines Familientreffen in Frankfurt statt, und ich erlebe diese Stadt, in der ich seit Jahrzehnten arbeite, hier studiert und einige Jahre gelebt habe, als Tourist. Am nächsten Morgen treffen wir uns am Flemings Riverside Hotel zu einer Stadtführung. “Gude, ich bin der Franz”, begrüßt uns der Sachsenhäuser Bub Franz Kindermann, der seit 17 Jahren Touris seine Stadt zeigt und immer noch großen Spaß an diesem Job hat. Los geht’s am Main entlang zur Flößerbrücke und dann weiter Richtung Eiserner Steg.
Der studierte Politologe spult sein Programm nicht einfach runter, sondern nimmt sich Zeit und ist jederzeit offen für Fragen. Interessant seine These, dass nicht bloß Konrad Adenauer sich einst gegen Frankfurt als Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland stark machte. Auch Alt-Nazis hätten dagegen polemisiert. Wäre die Wirtschaftsmetropole und alte Kaiserstadt Frankfurt Hauptstadt geworden (ein Plenarsaal war schon gebaut und wird heute als Sendesaal des Hessischen Rundfunks genutzt), wäre Berlin niemals mehr zum Zuge gekommen. Wir verlassen Hibbdebach (die nördliche Mainseite) und gehen über den Eisernen Steg – die Fußgängerbrücke wird durch tausende Liebesschlösser verschandelt – nach Dribbdebach in die Altstadt von Sachsenhausen, wo zum Abschluss der Stadtführung im Traditionslokal “Frau Rauscher” noch ein Tasting verschiedener Apfelweinsorten stattfindet. Früher kelterten viele Ebbelwoi-Kneipen ihr Stöffche noch selbst. Heute gibt es dieses Angebot nur noch in der Buchscheer. Im Hof der “Klaane Sachsehäuser” mit den großen Portionen klingen die wunderbaren Stunden in Frankfurt aus.
Gerne wieder, gerne wieder mit Franz, der den Touris noch eine Weisheit mit auf den Weg gibt: “Alle Sachsenhäuser sind Frankfurter, aber nicht alle Frankfurter sind Sachsenhäuser.” Nächstes Jahr wollen wir uns in Luxemburg treffen, und vielleicht spielt das Wetter wieder mit. Letzte Woche hatte ich noch von einem strikten Wasserentnahmeverbot in Brandenburg berichtet, das inzwischen wieder aufgehoben ist. Man sollte sich vom schlechten Sommerwetter derzeit weder die Laune verderben lassen noch wähnen, der Klimawandel finde gar nicht statt. “In Deutschland beträgt (der Temperaturanstieg) bereits 2,3 Grad gegenüber dem Beginn der systematischen Messungen 1881”, stellt die Präsidentin des Deutschen Wetterdienstes Sarah Catherine Jones fest (Tagesspiegel 23.07.25). Nicht nur beim Klima leben wir über unsere Verhältnisse. Gestern war der Erdüberlastungstag. Seitdem verbraucht die Menschheit mehr Ressourcen als zur Verfügung stehen. Deutschland erreichte den Überlastungstag bereits am 3. Mai, die USA am 13. März. Im Ranking des Earth Overshoot Day steht Luxemburg hinter Oman auf dem 2. Platz. Wir kommen trotzdem. Ein Leben ohne Widersprüche ist nicht möglich.
