Am Limit

Schwimmen macht den Kopf frei: Luna Wedler als Tilda im Kinofilm „22 Bahnen“. © Constantin Film

An einem regnerischen Sommerabend ist das Cinéma am Frankfurter Roßmarkt in der Häuserfassade kaum auszumachen. Trotzdem ist im kleinen Foyer des Kinos mit drei Sälen viel Betrieb. Im Studio läuft “22 Bahnen” nach dem Roman von Caroline Wahl. Es gibt einen Shitstorm gegen die Autorin, angefacht noch von einigen ungeschickten und überheblichen Äußerungen von ihr. Tenor der Kritik: Sie will mit Armut reich werden. Von dem Bestseller wurden über eine Million Exemplare verkauft. Caroline Wahl erzählt vom Leben einer jungen Frau, die mit ihrer alkoholkranken Mutter und ihrer kleinen Schwester unter schwierigen Verhältnissen zusammenlebt und im Supermarkt an der Kasse jobbt. Gleichzeitig studiert die begeisterte Schwimmerin als High Potential Mathematik und trifft im Bad zufällig den Bruder ihres russischen Freundes wieder, der mit seinen Eltern bei einem Autounfall ums Leben kam. Viel von viel auf 208 Seiten! Die Verfilmung von Mia Maariel Meyer ist erfolgreich angelaufen, kommt aber nicht über ein kleines Fernsehspiel hinaus. 

Am Ende trifft Tilda, die sehr überzeugend von der jungen Schweizerin Luna Wedler gespielt wird, eine Entscheidung. In der Politik könnte man eine wie Tilda gut gebrauchen, die lange gewogen und dann aber entschieden hat. Das geht mir auf meiner anschließenden Heimfahrt mit dem Rad durch das nächtliche Frankfurt durch den Kopf. Die aktuelle Bundesregierung macht mehr Schulden als alle davor zusammen, trotzdem klemmt es an allen Ecken und Enden. Jede:r weiß, dass es nicht gut gehen wird, wenn ein Viertel des Gesamthaushalts wie 2025 für die Rentenversicherung ausgegeben wird. Allgemein ist bekannt, dass in den nächsten 15 Jahren 13,4 Millionen Babyboomer in den Ruhestand gehen (Statistisches Bundesamt). Ebenso weiß man, dass Deutschland seit drei Jahren in einer Rezession festhängt. Die Hoffnung auf ein Anspringen der Konjunktur könnte sich als trügerisch erweisen. 

Obwohl immer wieder russische Drohnen über Polen gesichtet wurden, sind alle in der letzten Woche kalt erwischt worden, als plötzlich mindestens 19 Drohnen in den polnischen Luftraum eindrangen. Nicht alle konnten von Kampfjets abgefangen werden. Seit 2022 attackiert Russland die Ukraine mit diesen Kriegswaffen; in der letzten Woche wurden über 800 Drohnen abgefeuert. Es grenzt an Realitätsverleugnung, dass die NATO diese drei Jahre nicht genutzt hat, um sich selbst gegen diese Art von Angriffen zu schützen. In diesem Jahr geben die NATO-Mitgliedsstaaten 1.300 Milliarden US-Dollar für Verteidigung aus. Gleichwohl scheint das Bündnis nicht in der Lage zu sein, einen massiven Angriff von Billigdrohnen aus Russland abzuwehren. Eine schonungslose Bestandsaufnahme muss her, nicht nur in Deutschland. Kanzler Friedrich Merz hat einen Herbst der Reformen versprochen. Wenn die Zeichen nicht trügen, wird es ein Herbst der Kommissionen, ganz nach dem Motto: “Und wenn ich dann nicht weiter weiß, dann gründe ich einen Arbeitskreis.“

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