Unterbrechung

Antje Pode mit verblüfft mit einer Jonglage von Taschen und Koffern. © Rolf Hiller

Bis kurz vor der Veranstaltung reden wir über den Klimawandel und die Generationengerechtigkeit. Dann ist Schluss, und wir wechseln von der “Wunderbar” ins Neue Theater Höchst, wo im Herbst immer Varieté auf dem Programm steht, teilweise mit 2 Shows am Tag. Die Auslastung liegt dieses Mal bei 93%. Es gibt also noch viele andere, die für ein paar Stunden die Welt draußen lassen wollen; nicht mehr an die multiplen Krisen dieser Welt denken, nicht mehr ständig neue Nachrichten bekommen. Wieder führt die schwäbische Komikerin Rosemie durchs Programm, ein herrlich selbst ironisches Urvieh auf der Bühne mit vielen Talenten. Immer wieder gelingt es den Programmmachern Paulsen & Consorten, Künstler:innen zu finden, die Fans des Varieté noch nicht gesehen haben. Antje Pode verblüfft mit ihrer Jonglage von Taschen und Koffern, Anna Abrams am Vertikalseil und David Buletts Tellerbalance kann man immer wieder sehen. 

In bester Stimmung verlassen wir das Neue Theater und nehmen die Leichtigkeit mit in den nächsten Tag. Da geht es weiter um den Klimawandel, seine Leugner und Ignoranten, um die Weltklimakonferenz im brasilianischen Belem, wo 50.000 Teilnehmer:innen versuchen, die Weltgemeinschaft auf eine gemeinsame Linie zu bringen, um die Erderwärmung zu begrenzen. Das Ziel, deutlich unter 2°C zu bleiben, ist nicht mehr zu schaffen. Worst-Case-Berechnungen gehen von einem Temperaturanstieg bis 2050 von 2,4–2,6 °C über vorindustriellem Niveau aus, bis 2100: sogar von 4,4°C! Zynisch könnte man sagen, dass die 30 COPs (Conference of the Parties) dem Klima mehr geschadet als genutzt haben. Bei der COP 28 waren 86.000 Teilnehmende vor Ort! Ungeachtet der schönen Reden ist die Dekarbonisierung in der Bundesrepublik Deutschland derzeit nicht mehr angesagt – es geht um den Wirtschaftsstandort, um billige, fossile Energie, die man brauche, um wettbewerbsfähig zu bleiben, um endlich wieder Wachstum zu schaffen.  

Nun wird Deutschland die Welt nicht retten. Im Ranking der Top 10 Länder nach CO₂-Emissionen 2025 liegen wir mit 1.49% am globalen CO₂-Ausstoß auf Platz 9. Ganz vorne natürlich China, gefolgt von den USA und Indien. “Eine Beschränkung der Geschwindigkeit auf 130 km/h spart nach Berechnungen des Bundesumweltamtes jährlich 600 Millionen Liter Kraftstoff ein”, notierte ich am 15.07.2022 an dieser Stelle. Damit würde Deutschland zu allen anderen Staaten aufschließen, denn überall sonst auf der Welt gilt eine generelles Tempolimit auf Autobahnen. Die jetzige Bundesregierung hat dieses Thema nicht auf dem Schirm. Stattdessen wird die Pendlerpauschale erhöht, das Dienstwagenprivileg nicht angetastet und das Verbrenner-Aus hinausgeschoben. Die Vergangenheit hat aber keine Zukunft. “Freie Fahrt für freie Bürger!” hieß eine Kampagne des ADAC in den 1970er Jahren. Laut ARD-DeutschlandTrend waren 2024 64 % der Befragten für ein Tempolimit von 130 km/h, 33 % dagegen, der Rest unentschieden. In der Berliner Blase scheint das noch immer nicht angekommen zu sein. Nicht nur das grenzt an Realitätsverweigerung! 

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