
Die Angst geht um in deutschen Landen. Was mache ich, wenn meine Wohnung gekündigt wird und ich keine Alternative finde? In ihrer Not greifen viele zur Selbsthilfe, hängen Zettel aus und versprechen hohe Belohnungen für eine Vermittlung. Neulich bot eine Familie 5.000 Euro an. Letzte Woche hing ein Hilferuf an unserer Haustür: 3.300 in bar für eine Wohnung ab 1.5 Zimmer. Und sie ist bereit, dafür monatlich 900 Euro Miete zu zahlen; natürlich wird sie Kücheneinbauten und Schränke übernehmen. Kürzlich wurde der Untermietvertrag eines Mitarbeiters in einen Hauptmietvertrag gewandelt – neun Hunderter wurden dafür verlangt, bar auf den Tisch. Die Lage bei Wohnimmobilien wird sich in den nächsten Jahren weiter dramatisch verschärfen: es wird in Deutschland zu wenig, zu teuer und zu aufwändig gebaut. Im Musterland der Bürokratie gibt es nicht weniger als 3.500 Bauvorschriften.
Beim Deutschen Institut für Menschenrechte kann man den Artikel 11 Absatz 1 des UN-Sozialpaktes finden: “Die Vertragsstaaten erkennen das Recht eines jeden Menschen auf einen angemessenen Lebensstandard für sich und seine Familie an, einschließlich ausreichender Ernährung, Bekleidung und Unterbringung, sowie auf eine stetige Verbesserung der Lebensbedingungen. Die Vertragsstaaten unternehmen geeignete Schritte, um die Verwirklichung dieses Rechts zu gewährleisten, und erkennen zu diesem Zweck die entscheidende Bedeutung einer internationalen, auf freier Zustimmung beruhenden Zusammenarbeit an.” Ob man daraus ableiten kann, dass zur Daseinsvorsorge des Staates die Schaffung von ausreichend Wohnraum für alle gehört, ist “nirgendwo klar definiert” (Berliner Mieterverein). Die Frage birgt erheblichen sozialen Sprengstoff. Rund 60% der Berliner:innen haben im September 2021 beim Volksentscheid für die Enteignung großer Immobilienkonzerne gestimmt. Damit gibt es aber noch keine einzige neue Wohnung.
Dafür entstehen in bester Lage luxuriöse Eigentumswohnungen – etwa 80 qm für 1,8 Millionen Euro. Gebannt verfolge ich den Podcast “Teurer Wohnen”, der 2023 mit dem Deutschen Radiopreis ausgezeichnet wurde. Hartnäckig recherchieren die Journalist:innen, wie eine Altbau-Sanierung – völlig legal – ablaufen kann und wie die Gewinne der verschachtelten Firmen dann auf Zypern landen, über zu hohe Zinsen übrigens. Die Insel ist knapp vier Mal so groß wie das Saarland; 200.000 Firmen haben auf dieser Steueroase ihren Sitz. Das ist legal und bekannt und wird von der EU genauso nonchalant hingenommen wie die Konkurrenz um die Ansiedlung von Unternehmen mit einer niedrigen Gewerbesteuer hierzulande. Die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt verheißt überhaupt nichts Gutes für die nächsten Jahre. Fast jede:r kann plötzlich draußen sein und muss am Ende hohe Belohnungen zahlen. Die schaffen nur Begehrlichkeit und keine neuen Wohnungen. Klara Geywitz, die Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, hat den Podcast übrigens nicht gehört. Ein Versäumnis!




