Glanz ohne Gloria

Ein Coup der Berlinale 2024: die Jurypräsidentin Lupita Nyong’o. © Nick Barose

Und täglich grüßt das Murmeltier. Morgens auf der Homepage der Berlinale anmelden, dann geht’s weiter in den Warteraum für Akkreditierte; ab 7.30h können wir Tickets buchen. Jedes Jahr vergesse ich wieder, dass es zwei unterschiedliche Accounts gibt: einen für die Startseite und einen für die Karten. Und vor jeder Berlinale ist mir noch entfallen, dass es bei jeder neuen Ausgabe des erfolgreichsten Publikumsfestival der Welt einen Erst-Login mit noch mal anderen Anmeldedaten gibt. Wie schaffen das eigentlich die vielen Journalist:innen aus aller Welt? 2023 waren bei der Eröffnung der Berlinale die Klimaaktivist:inen am Werk, dieses Mal war die (späte) Ausladung einiger AfD-Politiker:innen der große Aufreger vor dem Festival. Es gab sogar Gerüchte, dass die Jurypräsidentin Lupita Nyong’o ihr Amt niedergelegt hätte, hätten Carlo Chatrian, der Künstlerische Leiter der Berlinale, und Mariëtte Rissenbeek (Geschäftsführung) die Rechtsradikalen nicht wieder ausgeladen. 

Mit der Verpflichtung des Oscarpreisträgerin (2014 für ihre Nebenrolle in “12 Years a Slave”) ist dem Leitungsduo bei ihrer nun letzten Berlinale ein Coup gelungen. Die Kenianerin “Nyong’o ist die Botschafterin für ein anderes Kino, für andere Geschichten. Und für ein neues weibliches, kosmopolitisches Selbstbewusstsein. Ihre Auftritte – ob bei den Oscars oder auf der Met-Gala – sind farbenfrohe Fashion Statements, sie bringt jeden roten Teppich zum Leuchten”, jubelt Andreas Busche (Tagesspiegel, 15.02.24). Nach der Euphorie kommt die Ernüchterung. Der Eröffnungsfilm kann zwar mit einem Weltstar punkten, reiht sich aber ein in die lange Reihe allenfalls durchschnittlicher Produktionen im Berlinale Wettbewerb. Cillian Murphy spielte die Hauptrolle in “Oppenheimer” und gibt in “Small Things like these” einen melancholischen Kohlenhändler, der seine Familie im Irland der 80er Jahre mehr schlecht als recht durchbringt. Er beliefert auch eine Einrichtung der Katholischen Kirche, die sog. Magdalenen-Wäscherei. 

Bis in die 90er Jahre wurden dort gefallene junge Frauen weggesperrt und schikaniert, vorgeblich um sie auf den Weg der Tugend zu führen. Von der unheilvollen Rolle der Katholischen Kirche erfährt man in Tim Mielants’ elegischem Film aber viel zu wenig. Im Abspann wird nur knapp darauf hingewiesen, dass über 30.000 junge Frauen bis in die 90er Jahre in Mariannen-Wäschereien ihr Leben fristeten. Hatte Mielants nicht die Courage, diesen Skandal in einem Film zu erzählen, oder einfach nicht die dramaturgischen Möglichkeiten? Diese Fragen gehen uns auch nach “La Cocina” durch den Kopf. Im Mikrokosmos einer Restaurant-Küche in New York bündeln sich viele Konflikte. Alle hängen noch dem American Dream nach und wissen doch, dass sie keine Chance haben. Alonso Ruizpalacios Film hat ganz starke Szenen und verliert dann wieder seine dramaturgische Linie. “La Cocina” dauert manchmal sehr lange 139 Minuten. Weniger wäre mehr gewesen. 

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