Glück im Unglück

Key Visual der sechsteiligen Serie, mit der die ARD an einen der größten und berühmtesten Schriftsteller des zwanzigsten Jahrhunderts erinnert, der am 3. Juni vor 100 Jahren starb. © NDR

Großer Andrang bei der Premiere der Mini-Serie “Kafka” in der Berliner Urania. Der große Saal ist bis auf den letzten Platz gefüllt; “Kafka” ist ein ambitioniertes & aufwändiges Projekt der ARD, an der alle Sender beteiligt sind. Die Serie besteht aus sechs Folgen à 45 Minuten, die das Leben dieses skrupulösen Schriftstellers unter verschiedenen Aspekten beleuchten. Bei der Premiere wurden drei Folgen am Stück gezeigt, der ganze “Kafka” ist schon jetzt in der ARD Mediathek verfügbar und wird ab dem 26.03. zur besten Sendezeit ausgestrahlt. “Kafka” ist womöglich das TV-Ereignis des Jahres – bestens besetzt in jeder Beziehung. Das Drehbuch schrieb Daniel Kehlmann zusammen mit dem Regisseur David Schalko, und man hätte wohl keinen besseren Hauptdarsteller finden können als Joel Basman, der Kafka nicht spielt sondern lebt.  

Hätte dem Schriftsteller, der sein Werk nie veröffentlichen wollte und seinem Freund Max Brod auf dem Totenbett auftrug, den ganzen Nachlass zu verbrennen, was dieser zu unser aller Glück nicht tat, das grandiose Key Visual gefallen? Hätte ihm die Serie gefallen? Wahrscheinlich nicht, denn Kafka wollte nie im Mittelpunkt stehen und war nie mit sich und seiner Literatur zufrieden. Sein Glück lag im Scheitern. Seiner verehrten Felice schrieb er drei Briefe pro Tag, aber ein Leben mit ihr kam für ihn nicht in Frage. Auf der Homepage der ARD findet sich dazu ein treffliches Zitat: “Ich habe kein literarisches Interesse sondern bestehe aus Literatur, ich bin nichts anderes und kann nichts anderes sein.” Franz Kafka, der seinen Job bei einer Versicherung gewissenhaft erledigte und regelmäßig Sport trieb, war vom Scheitern regelrecht besessen und fand sein Glück im Unglück. In der Kurzerzählung “Gibs Auf!” aus dem Nachlass fragt der Ich-Erzähler einen Schutzmann nach dem Weg und wird harsch abgewiesen. “’Gibs auf, gibs auf’, sagte er und wandte sich mit großem Schwunge ab, so wie Leute, die mit ihrem Lachen allein sein wollen.” 

Am 3. Juni jährt sich der Todestag von Franz Kafka zum 100. Mal, und er hätte bestimmt seine stille Freude am Weltglückstag gehabt, den die Vereinten Nationen 2012 beschlossen haben. “Die Vereinten Nationen verbinden mit dem Weltglückstag weltweite Politikziele”, lesen wir mit Staunen bei Wikipedia. Am glücklichsten sind dem World Happiness Report zu Folge die Menschen in Skandinavien, auf Platz 5 liegt unerwartet Israel, Deutschland belegt den 24. Rang. Kafka hätte sich über diese Erhebung im Stillen bestimmt genauso amüsiert wie über das Wort “kafkaesk”, das den Wahnwitz unserer Zeit nach wie vor treffend auf den Begriff bringt. Diesen Schriftsteller, der nie einer sein wollte, kann man immer und immer wieder neu entdecken – nun auch im Fernsehen. Für “Kafka” zahle ich gerne meinen Beitrag, weil ich es tun muss. Gut so!

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