
Eine ganz besondere Premiere steht an. In der Deutschen Oper gibt Frank Castorf, der ehemalige Intendant der Volksbühne, mit Verdis „La forza del destino“ sein Berliner Operndebüt – oder sollte man sagen: Castorf inszeniert Castorf. Einige Publikationen insinuierten denn auch, mit dieser Besetzung sei bewusst ein Skandal geplant worden. Von der „Macht des Schicksals“ war nichts zu spüren, als Castorf die Oper unterbrechen ließ, damit Schauspieler einen Text aus Curzio Malapartes „Die Haut“ auf Englisch deklamieren konnten. Das war denn doch zu viel. Es kommt Unruhe auf im Parkett. „Lern erst mal singen“, tönt einer. „Wir wollen unseren Verdi wieder haben“, „Wir wollen unseren alten Kaiser Wilhelm wieder haben“, schallt es aus verschiedenen Ecken durch das Opernhaus. „Kleinstadt-Publikum“, „Hauptstadt-Publikum“ und schließlich noch „Geht doch nach drüben“. Ein Abbruch der Aufführung droht, doch dieser Skandal bleibt aus. Ein Skandal ist Castorfs Inszenierung trotzdem, weil er seine üblichen Regie-Patterns der Oper überstülpt, anstatt seine Interpretation aus dem Werk zu entwickeln. In den trefflichen Worten der Kritikerin Barbara Wiegand vom Inforadio „surft der Regisseur so platt wie plakativ an der Oberfläche des Stücks entlang.“ Oh, Frankie.

Ansonsten aber kann sich das Hauptstadt-Publikum derzeit nicht beklagen. Einzig bei der Kultur ist Berlin absolute Weltklasse. Kürzlich war die Netrebko in der Deutschen Oper, gleich zwei Neu-Inszenierungen von Wagners „Ring“ stehen in der nächsten Zeit an, das Berliner Ensemble ist mit „Baal“ (Regie: Ersan Mondtag) und die Schaubühne mit „Jugend ohne Gott“ (Regie: Thomas Ostereier) verheißungsvoll in den Theater-Herbst gestartet; das Musikfest Berlin hat uns weitere Sternstunden beschert. Das erste Berlin-Gastspiel des London Symphony Orchestras unter Sir Simon Rattle wird ein einziger Triumph. Mit der phänomenalen Sopranistin Barbara Hannigan – empfehlenswert ihr grandioses Album Crazy Girl – spielen sie Hans Abrahamsens Werk „let me tell you“, um nach der Pause mit Olivier Messiaens elfsätzigem Werk „Éclairs sur l’Au-Delà“ noch einen draufzusetzen. Gebannte Stille nach dem letzten, kaum hörbaren Ton – dann tosender Applaus!
Beseelt auf die Räder und übers Kulturforum nach Hause. Dort darf sich das Hauptstadt-Publikum auf das neue Museum der Moderne freuen, das in einer gewaltigen Halle (Kunst-Scheune) den Platz einst dominieren wird – wenn es dazu kommt. Denn der überarbeitete Entwurf des Architektenbüros Herzog & de Meuron ist zwar etwas kleiner, nimmt als Solitär aber keine Rücksicht auf das Ensemble der Gebäude des Kulturforums. Zudem muss jetzt ein weiteres Tiefgeschoss gebaut werden; statt der kalkulierten 200 Millionen Euro gehen Insider bereits von 600 Millionen aus, wie die SZ (12.09.19) vermeldete. Die Stararchitekten bauten auch die Hamburger Elbphilharmonie, die am Ende mit 866 Millionen Euro mehr als zehnmal so viel Geld verschlang wie ursprünglich geplant. „Uns geht’s ja noch gold“… (Romantitel von Walter Kempowski). Das Hauptstadt-Publikum darf sich auf einiges gefasst machen!