
Eine Fahrt mit dem Nachtzug der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) ist ein Erlebnis der ganz besonderen Art. Wir treffen uns in Berlin-Gesundbrunnen direkt am Gleis – um 18.36h startet der Nightjet nach Wien. Mit Mühe wuchten wir unser Gepäck in die Kabine und sind doch angenehm überrascht. Wasser steht bereit und kurz nach der Abfahrt überrascht uns der Service mit zwei Piccolo Frizzante und wünscht eine angenehme Reise. Wir zuckeln gemütlich gen Osten, denn der Nachtzug fährt über Polen und Tschechien nach Wien. In Frankfurt/Oder ist Schluss mit Zuckeln: Personen im Gleis meldet die App. Hinter vorgehaltener Hand steckt uns aber die österreichische Zugchefin, dass wir auf den polnischen Lokführer warten müssen. Denn nur er kenne die Strecke und nur er dürfe fahren.
Sei‘s drum. Wir hören Chopin, trinken Roten und futtern. Gegen 22 Uhr werden die Betten gemacht, wir üben uns auf winzigem Raum als Bad-Artisten. Licht aus, ohne eine Zeile zu lesen. Wir schlafen erstaunlich gut, bekommen die vielen Zwischenhalte überhaupt nicht mit – bis auf Bohumín (Tschechien) nachts kurz vor vier. Um 6.30h weckt uns der Nachtschaffner und möchte das Frühstück bringen. Nach der Akrobatik in der Nasszelle reicht es nur zu einem Tee, rasch klauben wir die Sachen zusammen und verlassen natürlich als Letzte den Zug. Im Wiener Hauptbahnhof gibt‘s einen Yoghurt, dann mit der Straßenbahn zum Hotel Schreiners. Das Inhaber-Ehepaar begrüßt uns freundlich mit Handschlag, und wir wissen im gleichen Moment, dass wir wiederkommen.
Spiegeleier fein dann im Café Central. Der touristische Hot-Spot, einst ein Treffpunkt der Wiener Literaten, überrascht mit schier unverwüstlichem Charme. Der Schriftsteller Peter Altenberg gab die Adresse dieses Caféhauses gleich als seine eigene aus. Abends natürlich ins Theater. Eine Bearbeitung von Gerhart Hauptmanns „sozialem Drama“ im Akademietheater klingt vielversprechend. Bei der Uraufführung vor 130 Jahren in Berlin gab es einen veritablen Theaterskandal, der den Autor schlagartig bekannt machte. In Wien setzt man auf die Modernisierung des Dramas nach Gerhart Hauptmann. Ewald Palmetshofer hat die Vorlage gewissermaßen prosaisiert: statt dramatischer Konflikte gibt‘s endloses Gerede & Gewese. Wir sitzen auf dem Balkon schlechter als bei Ryan Air, und die 135 Minuten ohne Pause ziehen sich endlos hin. Macht bloß Theater! habe ich mir in diesem Jahr schon häufiger gewünscht. Wieder vergeblich!