
In schöner Regelmäßigkeit wird Wien zur lebenswertesten Stadt der Welt gewählt. Es braucht nur ein paar Stunden, um diese Wahl persönlich zu überprüfen. Wie an Flughäfen gibt es am Hauptbahnhof bequeme Sitzgruppen; überhaupt gibt es in Wien viele Möglichkeiten, im sog. Öffentlichen Raum zu rasten & zu entspannen. Unsere Hoteliers schätzen durchaus Berlin, aber in ihrer Stadt sei es weniger hektisch, das Leben verlaufe ruhiger hier. Das spüren wir sofort und lassen uns treiben. Ein lebendiger Einzelhandel fällt auf, es gibt wenige Filialisten mit dem immer gleichen Angebot, die deutsche Städte und ihre Fußgängerzonen so monoton machen. Im Viertel Neubau entdecken wir gleich mehrere Fotogeschäfte; unweit des Hotels hat sich eines davon ganz auf Leica spezialisiert. Wenn wir mit der Straßenbahn 49 ins Zentrum fahren – das Netz des ÖPNV ist hervorragend -, kommen wir an winzigen Lädchen mit Antiquitäten & Kruschtel vorbei, entdecken witzige Boutiquen und verlockende Restaurants.
Alles so schön cool wie in Schöneberg, aber Wien ist natürlich auch ein Hotspot für Touris aus aller Welt. Und die buchen im Package den Goldenen Saal des Musikvereins gleich mit, dessen Akustik in aller Welt gelobt wird. Dieses Erlebnis wollten wir uns nicht entgehen lassen und kauften schon im Mai die Katze im Sack. Denn zu diesem Zeitpunkt lag das Programm noch nicht vor. Ein Best-of-Mozart erwartet uns auf harten, unbequemen Stühlen für 50 € das Stück auf dem Balkon; zum Abschluss dann natürlich noch die „Schöne Blaue Donau“ und der „Radetzky-Marsch“. Oha! Ein Konzert, das wir nicht vergessen werden. Nicht wegen der recht ordentlich gespielten Musik, natürlich in Rokoko-Kostümen, sondern wegen der vielen Besucher aus Asien. Sie scheint das Konzert kaum zu interessieren; unablässig sind sie mit ihren Smart-Phones zu Gange, obwohl auf japanisch und chinesisch darauf hingewiesen wurde, das digitale Alter Ego auszuschalten. Die Mädels an der Tür kommen kaum nach mit Ermahnungen und müssen kurz vor dem Ende des Konzerts ganze Horden ziehen lassen, die den Saal verlassen. Draußen warten schon die Gruppen-Fähnchen und Busse. Weiter geht’s zum nächsten Hotspot.
Wie unsere sympathischen Hoteliers verlassen wir am Wochenende wieder die beste Stadt aller Welten. Unser Hotspot heißt Dürnstein. Dort haben wir uns mit den lieben Pongs auf einige Tage in der Wachau verabredet. Das Publikum von gestern hätte sicher an den schrecklichen Kitschläden im Ort seine Freude gehabt, wir steigen hinauf zur Ruine hoch über der Donau. Damals war die Burg schier unbezwingbar, man hätte die Bewohner allenfalls aushungern können. Hier wurde einst der König von England, Richard Löwenherz, gefangen gehalten, und eine rührende Geschichte rankt sich um seine Befreiung. Der Minnesänger Blondel sei von Burg zu Burg gezogen und habe dabei immer das Lied angestimmt, das sein Herr so liebte. Und tatsächlich erklang eines Tages aus einem Kerker die zweite Strophe… In Wahrheit wurde damals von England ein horrendes Lösegeld für Richard bezahlt; singen musste dafür keiner. Fake News gab es schon, als Social Media noch in ferner Zukunft lag. Servus!