Mit einem Eklat begann die 74. Berlinale, mit einem Eklat endete sie auch. Herrschte am Anfang helle Empörung über die Einladung einiger AfD-Abgeordneter zur Eröffnungsgala – in den Vorjahren nahm daran übrigens niemand Anstoß -, nutzten einige die Abschluss-Veranstaltung zur Abrechnung mit Israel. Keine Rede davon, dass die Hamas den Angriff auf Israel am 7. Oktober begann, kein Wort darüber, wie zynisch diese Terrororganisation die palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen als Geisel nutzt. Keine Reaktion im Publikum und bei den anwesenden Politiker:innen. Die Leitung der Berlinale, Mariëtte Rissenbeek (Geschäftsführung) und der Künstlerische Leiter Carlo Chatrian, distanzierten sich erst am nächsten Tag pflichtschuldigst und wurden einmal mehr zu Getriebenen, wie so oft in ihrer glücklosen Amtszeit. Sie hätten gewarnt & gewappnet sein müssen, zumal sich die Berlinale doch ganz explizit als politisches Filmfestival versteht.
Über dem Eklat zum Abschluss gerieten Licht & Schatten der filmischen Qualität bei der 74. Berlinale in den Hintergrund. Der Wettbewerb fand bei der Kritik wenig Anerkennung – zu viele schwache Filme. Warum die neue Arbeit von Julia von Heinz (“Treasure”) in Berlin ihre Weltpremiere feierte, aber nicht im Wettbewerb lief, verstehe, wer will. Warum es bei der Berlinale nur eine (!) Auszeichnung für den/die beste/n Hauptdarsteller:in gibt, verdankt sich wohl einer merkwürdigen Anpassung an den Zeitgeist. Die Entscheidungen der Jury überraschen immer wieder, aber man muss sie klaglos hinnehmen. Den Goldenen Bären erhielt wieder wie im Vorjahr ein Dokumentarfilm – “Dahomey” von Mati Diop. Sicher eine gut gemeinte Entscheidung, die aber zeigt, dass Berlin gegen die Festivals in Cannes und Venedig weiter an Bedeutung verliert. “Der Goldene Bär zieht nicht mehr” (FAZ) und “Festival in Schieflage” (Tagesspiegel) bilanzierten die Experten.
Derweil eskaliert die humanitäre Katastrophe im Gazastreifen immer weiter. Auch wenn Israel nicht für den Angriff der Hamas verantwortlich ist, müssen sich die Regierung und die ganze Welt der Situation stellen. Aber ob das ohne einen Wechsel im Amt des israelischen Ministerpräsidenten möglich sein wird? Eines Tages wird hoffentlich unzweifelhaft geklärt, ob Benjamin Netanjahu die Warnungen seines Geheimdienstes bewusst ignoriert hat, um weiter im Amt zu bleiben. Der Mossad soll schon ein Jahr vor dem Überfall der Hamas genau davor gewarnt haben. Dass Israel einen Krieg gegen die Hamas und andere Terrororganisationen im Nahen Osten nicht gewinnen kann, liegt auf der Hand. Dass die demografische Entwicklung in dieser Krisenregion gegen Israel spricht und eine international garantierte Zwei-Staaten-Lösung der einzige Weg ist, dort halbwegs stabile Verhältnisse zu schaffen, müsste allen Kriegstreibern klar sein. Aber die Stimme der Vernunft findet derzeit kein Gehör! Es ist zum Verzweifeln.