„Dieses Buch ist wie das Leben: niemand weiß, wie es weiter geschrieben wird.“ Diesen Eintrag ins Gästebuch schrieb ich am 27.03.2007, als wir das letzte Mal bei einer Freundin der Familie in Long Island waren. Das gilt nicht minder für meine Notizen, die nun eine Illustration ziert, die der Administrator uns spendiert hat. Für die Zeit in Amerika mag das passen, aber der Blog geht ja weiter, und ich habe ganz bewusst auf Bilder verzichtet, auf Selfies erst recht.
Etwas gehetzt erreichen wir Penn Station, denn ein sanitäres Problem der unangenehmsten Art hat uns in dem alten Haus zu schaffen gemacht. Für den Notfall hatten wir sogar Wäsche & Zahnbürsten im Gepäck. Schließlich fuhren wir aber doch zurück, weil die Vermieterin uns versichert hatte, dieses „Problem“ sei noch jedes Mal erledigt worden. Mit der LIRR (Long Island Rail Road) bis nach Cold Spring Harbor, wo uns die Freundin bereits erwartete. Die alte Dame ist 91 Jahre alt und kutschiert uns souverän im Tiguan zu ihrem Haus. Kaum im Auto beginnt sie zu erzählen; sie hat ein fabelhaftes Gedächtnis und spricht ganz hervorragend Deutsch, obwohl sie Deutschland bereits mit 27 verlassen hat. Erinnerungen und Reflexionen eines sehr langen Lebens, in die sich gelegentlich Wehmut und Trauer mischen.
Ihr Vater war Künstler, hatte zeitlebens kaum Erfolg mit seinen Bilder und musste sich als Tapetenmaler durchschlagen – wie mein Großvater in Einbeck. Eine Nichte hat einige Werke von Stefan Karches in einem Bildband gesammelt und ihm wenigstens posthum die Anerkennung verliehen, die er nie bekommen hat in seinem Leben. Die Freundin schenkt uns einen Band dieser wunderbaren Privat-Edition. Wir bedanken uns mit einer Hör-CD der Gedichte von Mascha Kaléko, gelesen von Katharina Thalbach. Der geliebte Deutschlehrer der Lyrikerin wohnte übrigens in der Jenaer Straße 20 und hat sich mit seiner Frau dort umgebracht, um der Deportation nach Theresienstadt zu entgehen.
Kurz nach neun betreten wir etwas bange das Apartment – das „Problem“ ist weg! Bange machen gilt nicht in Manhattan. Licht aus.
Dank Trudel heute morgen von diesem blog erfahren und nun alles bisherige gelesen, auch für die Mama ausgedruckt. Welch Freude, Euch so auf Eurer Reise begleiten zu können!!! Habt’s weiterhin gut und seid herzlichst gegrüßt aus dem sonnigen, auch sommerlichen Freiburg! Claudia
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