Post an Wagner

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Nach dem Fest die Tristesse: Blick aus dem Hotel auf den Bahnhofsvorplatz von Bayreuth; im Hintergrund der Grüne Hügel.

Um 5.45h klingelt der Wecker: wir fahren nach Bayreuth. Der Zug ist ausgebucht, wir haben keine Reservierung, und „es verkehrt ein Ersatz-ICE“. Oha, diese Fahrt kann wieder lustig werden. Doch wir haben Glück, finden zwei Plätze und reisen entspannt, natürlich mit Maria Ossowski. Die ARD-Kulturkorrespondentin gibt an diesem Morgen im Inforadio Tipps für Bayreuth-Anfänger. Wir waren zwar schon im Festspielhaus, aber bei den Festspielen noch nie und sind natürlich für Hinweise einer Expertin dankbar. Wir wollen die viel beachteten „Meistersinger“ in der Inszenierung von Barrie Kosky erleben, die immerhin sechseinhalb Stunden dauert. Rasch im Hotel eingecheckt, zwei Plätze im Bus zum Grünen Hügel gebucht, dann ist Power-Napping angesagt.

Ohne Kontrollen kommt niemand ins Festspielhaus. Erst müssen wir unseren Perso einer Polizei-Kontrolle vorlegen, dann mit dem Ticket bei jedem Einlass; so will man den Schwarzmarkt ausschalten. Wir besorgen uns noch Sitzkissen und nehmen unsere großartigen Plätze genau in der Mitte im Festspielhaus ein. Das „jüdische, schwule Känguru“ (Kosky über Kosky) hat den ersten Aufzug der „Meistersinger“ in die Villa Wahnfried verlegt und deutet mit dieser spektakulären Eröffnung schon an, was er im Schilde führt: er möchte den „Fall Wagner“ (Nietzsche) neu verhandeln. Die letzten beiden Aufzüge spielen denn auch in der Kulisse des Gerichtssaals der Nürnberger Prozesse – Richard Wagner hätte auch auf der Anklagebank sitzen müssen. Das hervorragende Programmheft zeigt minutiös den fanatischen Antisemitismus und Nationalismus in seinem Werk, kurzum es gibt nicht den großen Künstler und den unerträglichen Hetzer, den guten und den bösen Richard Wagner.

“Mein Leben ist ein Theaterstück, geschrieben von mir“, behauptete er und hat sich stets mit der Figur des Hans Sachs identifiziert. „Ist jemand hier, der Recht mir weiß, der tret‘ als Zeug‘ in diesen Kreis!“ wird vor dem letzten Aufzug auf den Vorhang projiziert. Wir treten nicht in diesen Kreis, sind von der Inszenierung vollkommen überzeugt, nicht aber von der handlungsarmen und schwerfälligen Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“, wiewohl Michael Volle (Hans Sachs) und Klaus Florian Vogt (Walther von Stolzing) zu recht gefeiert werden. Dann wollen wir nur noch raus aus der Schwüle ins Freie und  finden im „Weihenstephan“ draußen zwei Plätze. Wir verlassen das Restaurant gegen Mitternacht, weiter herrscht reges Treiben im Vorgarten. Herrlich international, multikulturell & bunt ist Bayreuth während der Festspiele. Richard Wagner und Adolf Hitler hätte das pure Grauen erfasst. Gut so!

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