Das Gesetz bin ich!

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Auf Streife in Montfermeil. Stéphane (Damien Bonnard), Chris (Alexis Manenti) und Gwada (Djibril Zonga) v. l. in dem höchst beeindruckenden Film „Die Wütenden – Les Misérables“ von Ladj Ly. © Wild Bunch Germany GmbH

Wir lieben die Berliner Kiez-Kinos, in denen man noch Filme anschauen kann, die andernorts schon längst nicht mehr laufen, wenn sie dort überhaupt gezeigt wurden. An einem regnerischen Sonntagabend machen wir uns auf zum abgeschrabbelten Bundesplatz-Kino; drei Dutzend Fans – wir sind beileibe nicht die Jüngsten (!) –  wollen „Miles Davis. Birth of the Cool“ sehen. Fassungslos erleben wir, wie der Trompeter vor einem Club, in dem er ein Konzert gibt, von einem rassistischen Cop zusammengeschlagen wird. Seine Kälte und seine sprichwörtliche Arroganz sind eine Reaktion darauf, einer der größten Jazzmusiker des 20. Jahrhunderts bleibt immer auf Distanz: zu anderen Musikern, zum Publikum – und auch zu seinen Frauen. Drogen und Schmerzen begleiten ihn fast das ganze Leben; seine große Liebe Frances verlässt ihn, weil Miles sie in rasender Eifersucht geschlagen hat. Mehrfach ist er am Boden zerstört, immer wieder kommt er zurück. Getrieben erfindet sich der geniale Musiker ein ums andere Mal neu und nimmt Meisterwerke auf. Sein Album „Kind of Blue“ (1959) steht übrigens gerade in den aktuellen deutschen Media Jazzcharts auf Platz 3.

„Das Gesetz bin ich“ – davon ist auch ein französischer Cop in Montfermeil überzeugt. Der Ort liegt in der Nähe von Paris, ein multikultureller Schmelztiegel mit eigenen Regeln & Strukturen. Die zynische, herablassende und menschenverachtende Art dieses Chris widerstrebt seinem neuen, zivilisierten Kollegen Stéphane; der Dritte im Team, der farbige Gwada, steht gewissermaßen zwischen ihnen. Vom ersten Moment an entwickelt Die Wütenden – Les Misérables, der erste Spielfilm von Ladj Ly (er ist in Montfermeil aufgewachsen, seine Familie stammt aus Mali), einen unwiderstehlichen Sog. Eine latente Aggression prägt alle Handlungen – und muss schließlich eskalieren. Zwar endet dieser höchst beeindruckende Film nicht ganz ohne Hoffnung, aber ich verlasse das „Orfeo-Kino“ in Frankfurt ganz benommen und mitgenommen. Selten hat mich ein Film so aufgewühlt, ich denke immer wieder an die Worte von Victor Hugo, die Ladj Ly ans Ende gestellt hat: „Merkt Euch, Freunde! Es gibt weder Unkraut noch schlechte Menschen. Es gibt bloß schlechte Gärtner.“

Kemmerich who? Bis vor zwei Tagen hatte wohl kaum einer vom FDP-Politiker Thomas Kemmerich gehört, der im dritten Wahlgang mit einfacher Mehrheit zum Ministerpräsidenten von Thüringen (2,1 Mio Einwohner) gewählt wurde – mit den Stimmen der AfD. Das ist zwar legal, aber dieses abgekartete Spiel ist nicht legitim und schadet unserer Demokratie. Willentlich & wissentlich haben die Landesverbände von FDP und CDU in Kauf genommen, dass Kemmerich mit den Stimmen der AfD gewählt wurde. Beide Parteien haben wieder einmal bewiesen, dass sie auf dem rechten Auge blind sind und eiern jetzt herum. Zwar will Kemmerich nun zurücktreten, aber für die Krise in Thüringen sind er und die politischen Hasardeure seiner Partei und der CDU unter Mike Mohring verantwortlich. Den Schaden haben wir alle, und die AfD lacht sich ins Fäustchen.

 

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