Weitergehen

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Allein in der U-Bahn am Sonntagmorgen. © Karl Grünkopf

Ab heute kostet das grundlose Verlassen der eigenen Wohnung in Berlin zwischen 50 und 100 Euro. Am letzten Sonntag hatte ich einen guten Grund. Ich musste zu meinem Verlag nach Frankfurt, um eine ganz andere Verteilung von FRIZZ Das Magazin für Frankfurt & Vordertaunus zu organisieren. Weil die meisten Geschäfte & kulturellen Einrichtungen geschlossen sind, können wir dank eines Deals mit der Supermarktkette REWE dort auslegen; zudem verbreiten wir unseren kostenlosen Titel erstmals per Hausverteilung. Gespenstisch leer schon die U-Bahn-Station; die C-Gefahr auf der Fahrt nach Spandau ist gering – streckenweise sitze ich ganz allein im Wagen. Im ICE dann auch nur wenige Fahrgäste; bis Wolfsburg sind wir zu dritt in einem Großraumwagen. Deutschland im Corona-Modus.

Es ist erstaunlich, was alles von jetzt auf nun möglich ist in diesem Land, dessen Politiker *innen voll und ganz auf die Expertisen der Virologen vertrauen. „Alle sind glücklich über die seriösen Virologen“, wundern sich die Freunde von der taz. „Die Daten der Klimawissenschaften werden dagegen seit Jahrzehnten ignoriert, weil sie die Existenzberechtigung von Energiekonzernen, Agrar- und Autoindustrie und ihre profitablen Verbindungen zu Politik und Gesellschaft untergraben. Dabei wissen wir viel besser, was man gegen den Klimawandel zu tun hätte als gegen das Virus.“ (01.04.20) Tempo 130 auf Autobahnen war genauso wenig durchzusetzen wie etwa eine Steuer auf Kerosin in der gewerblichen Luftfahrt, um nur zwei beliebige Beispiele zu nennen. Dass wir in absehbarer Zeit, keine wirksamen Antibiotika mehr haben, schert auch niemanden. „Seit Jahren werden keine neuen Antibiotika mehr entwickelt und die Arzneimittelindustrie macht keinen Hehl daraus, dass ihr die Gewinnmargen zu dünn sind, um ihre Haltung zu ändern.“ (FAZ, 12.03.20)

Als ich diesen Blog vor anderthalb Jahren begann, waren wir auf unserer „American Journey“ natürlich auch in New York. Wir lieben diese Stadt, die sich mittlerweile zum Zentrum der Corona-Krise entwickelt – im Central-Park wurden Zelte für Patienten aufgeschlagen! Damals wohnten wir in einem winzigen 2-Zimmer-Appartment in Manhattan im dritten oder vierten Stock eines etwas heruntergekommenen Hauses. Eine Ausgangssperre dort mag ich mir nicht vorstellen. Noch dramatischer ist die Situation in Ost-Afrika, wo zur Corona-Krise noch die schlimmste Heuschrecken-Plage seit Menschengedenken kommt. In Kolumbien wurden die ersten Infektionen mit dem neuen Virus bei indigenen Völkern festgestellt, derweil Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro von einem „Grippchen“ spricht. Mir fehlen die Worte ob dieser Leugnung der Realität…

2 Kommentare zu „Weitergehen

  1. Genau: Die Herstellung von neuem Antibiotika sollte meiner Meinung nach verstaatlicht werden. Und den anderen Beobachtungen kann ich voll und ganz zustimmen, sehr gut beschrieben unsere Zeit der Starre.
    Würde gern nur nochmal auf meine Lichtinstallation zur ausgefallenen LUMINALE in Frankfurt hinweisen… es war ein unvorhergesehener Beitrag zur C-Debatte.

    Es grüßt Johannes kriesche

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