Scheitern

Frank-Walter Steinmeier über Wladimir Putin: „Da habe ich mich, wie andere auch, geirrt.“ © Pixabay

Eine Seefahrt, die ist lustig. Eine Fahrt auf der Elbe in Hamburg kann auch sehr schön sein. Bei einem Familientreffen machen wir eine kleine Tour, sitzen vergnügt an Deck; natürlich geht eine leichte Brise. Zwei von uns lassen arglos die Masken fallen und werden sofort in den Senkel gestellt. Ein Terrier auf zwei Beinen – „Hochbahn-Wache“ steht auf seiner Warnweste – lässt sich die Ausweise der Delinquenten zeigen und zückt seinen Block, um die Übeltäter mit jeweils 40€ Strafe zu belegen. Die Jubilarin versucht zu vermitteln, der Terrier knurrt und läßt ab von den Jungs. Der ganze Wahnwitz der aktuellen Corona-Lage hierzulande spiegelt sich in dieser Situation. Im ÖPNV (dazu zählen auch Fähren) herrscht weiter Maskenzwang, selbst bei Windstärke 9 an Deck. Der Terrier war vollkommen im Recht, wir schütteln danach alle schicksalsergeben den Kopf und freuen uns auf das Menü am Abend. Wahrscheinlich ist es, in Deutschland zumal, nicht möglich, bei der Maskenpflicht auf einer Fähre zwischen Deck und Kabine zu unterscheiden.

Fehler passieren, und es ehrt den Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, dass er Irrtümer und Fehleinschätzungen zugibt und korrigiert – aber doch nicht in einer Talkshow und bei Twitter. Als One-Man-Show kann man dort unterwegs sein, nicht aber im politischen Geschäft. Nach der Volte beim Thema Isolationspflicht musste der Medien-Minister noch einen Tiefschlag verkraften: es wird in Deutschland keine Impfpflicht geben. Das ist genauso eine Niederlage für den Kanzler, denn Olaf Scholz hatte sich ganz klar dafür ausgesprochen – einen eigenen Gesetzentwurf wollte die gelb dominierte Dreier-Koalition aber nicht ins Parlament einbringen. Dass Scholz die Dinge laufen lässt anstatt von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen wird sich noch rächen. Die Mehrheit der Deutschen ist für eine Impfpflicht und für mehr Maske im Alltag und weiß sich damit in guter Gesellschaft mit den meisten Expert:innen. Vielleicht versuchen sich Lauterbach & Scholz jetzt erst einmal an der Einführung eines zentralen Impfregisters, das in Zeiten der Pandemie ja ganz sinnvoll wäre.

Ein Lavieren bei der Einschätzung des russischen Diktators kann man dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier nicht mehr vorwerfen: „Meine Einschätzung war, dass Wladimir Putin nicht den kompletten wirtschaftlichen, politischen und moralischen Ruin seines Landes für seinen imperialen Wahn in Kauf nehmen würde. Da habe ich mich, wie andere auch, geirrt.“ Alte Irrtümer schützen aber nicht vor neuen Fehlern, wie die polnische Zeitung Rzeczpospolita kommentiert: „Worauf warten wir nach Butscha noch? Auf den Einsatz von Chemiewaffen? Atomwaffen? Oder vielleicht warten wir auch auf gar nichts mehr, sondern gehen zum Tagesgeschäft über, weil wir die Bilder der russischen Barbarei satt haben. Die Verbrechen werden langsam zum Alltag.“ (07.04.22) Nach dem ersten Schock des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, den Sondersendungen im Fernsehen und im Radio, den immer neuen Eilmeldungen, haben wir uns in der siebten Woche des Krieges an das Grauen gewöhnt. Leider! Becketts Wort ist wahrer denn je: „Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern.“ Aber wie?

Ein Kommentar zu „Scheitern

  1. Lieber Erk,
    heute wurde ich auf eine interessante Internetseite aufmerksam gemacht: http://www.NachDenkSeiten.de. Die dortigen Artikel zur Ukraine haben mir gezeigt, dass man vieles auch anders sehen kann. Ob das nun wieder alles stimmt, weiß ich nicht, vieles scheint mir aber plausibel (und neu); außerdem ist es ja immer gut, auch Stimmen zu hören, die in unseren Medien alles andere als präsent sind.
    Grüße!

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