Lion and Thomas

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So blickte der Großschriftsteller Thomas Mann beim Schreiben in den Garten.

Was für ein Stress am frühen Morgen. Wir pfeifen uns ein Müesli rein, trinken Tee, Susanne liest den Blog, schickt mir noch ein Foto dazu. Dann setze ich mich wieder – wir haben nur einen Stuhl -, stelle online und beantworte schnell noch ein paar Mails. Warum die Hetze? Wir werden um 11 Uhr in der Villa Aurora in Pacific Palisades erwartet und wollen natürlich gut deutsch pünktlich sein.

Die zwanzig Meilen sollen knapp fünfzig Minuten dauern, meldet Google auf deutsch aus Susannes I-Phone; zu unserer größten Überraschung spielt das angeschlossene Handy im Hyundai „California“ von U2. Der Tag wird gut. Wir parken in einer sehr steilen Straße und klingeln am Eingang zu der Villa, die 1927 im spanischen Stil erbaut und mit allen technischen Finessen ausgestattet wurde.  Als Martha Feuchtwanger das Haus auf den Hügeln über dem Pazifik 1943 entdeckte, stand es schon vier Jahre lang leer; für 9.000 $ bekamen sie den Zuschlag für die herunter gekommene Immobilie. Im Entree schon hängt ein eindrucksvolles Foto: Lion Feuchtwanger und Bertolt Brecht nebeneinander auf der Steinbank. Dort stehen wir jetzt auf der Terrasse und hören bei unserer Privatführung über das Leben der Feuchtwangers nach ihrer Flucht aus Deutschland und über das heutige Leben in der Villa Aurora, in der Fellows ein paar Monate arbeiten und wohnen dürfen.

Man vertraut uns die Post für das Thomas Mann Haus an, wo wir beede schon zur nächsten Audienz erwartet werden. Diese Villa, die Thomas Mann im Bauhaus-Stil errichten ließ, war 60 Jahre in amerikanischem Privatbesitz und wurde zuletzt sogar per AirBnB vertickert, ehe sie 2016 von der Bundesregierung gekauft wurde.  Inzwischen ist die Villa wieder stilsicher hergerichtet worden, aber der Geist der Manns muss dort erst wieder einziehen. „Es gibt Orte“, beschwört der Literaturwissenschaftler Heinrich Detering denn auch die Vergangenheit, „die durchlässig sind für die Zeiten. Die Schatten vergangener Bewohner oder Besucher eines Hauses gehen um als Wiedergänger und scheinen so lebendig, dass der augenblickliche Besucher befürchten muss, dass er selbst zum Schatten wird.“ Während in der Villa Aurora gewissermaßen alles so blieb, wie es die Feuchtwangers gestaltet haben (Martha lebte dort bis 1987), überdauerte im Mann’schen Haus nur wenig, etwa die Bücherregale in seinem Arbeitszimmer. Auch im TMH sollen Fellows arbeiten; einige Wissenschaftler sind nach der feierlichen Eröffnung am 18. Juni dieses Jahres dort schon aktiv.

Beglückt fahren wir zum Will Rogers State Beach – Wellenbaden im Pazifik ist jetzt angesagt. Herrliche Wellen, herrliches Wetter sowieso. Zurück im Meer der Autos auf dem teils fünfspurigen Freeway. Immer wieder stockt der Verkehr, in den meisten Wagen sitzt nur eine Person – der alltägliche Auto-Wahnsinn in LA. In „unserem“ roof garden noch einen Imbiss, endlich mal wieder Mittagsschlaf (!) und abends noch einmal raus uff die Gass‘. Erstaunlicherweise können uns die freundlichen Kellner allesamt kein Kino in der Nähe nennen. Hollywood liegt umme Ecke, aber wir sind im falschen Film. Bei einer grauenhaften Mall finden wir das LA Live – mit grauenhaftem Kino-Programm. Wir ziehen noch ein bisschen um die Hochhäuser und die erstaunlich vielen Parkplätze. Einladend ist LA hier nicht. Bier & Pasta im ACE sind die beste Lösung. Treu & brav schreiben wir noch einige Postkarten.

3 Kommentare zu „Lion and Thomas

  1. Lieber Erk,
    vielen Dank für deine plastischen Schilderugen, ich war schon immer richtig gespannt auf die Lektüre ( du kannst aber auch richtig gut schreiben!). Was habt ihr für tolle Sachen erlebt, my goodness! Aber morgen geht es zurück, wenn ich das noch richtig weiß, deshalb: have a safe journey!!! Ich bin grad in Stuttgart und höre heute Abend das Antrittskonzert von Currentzis beim SWR Orchester. Eine Miniaktion vergleichsweise…
    Tausend Grüße, Doro

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    1. DankE liebe Doro, der Blog macht mir richtig Spaß & ich werde ihn auch weiterschreiben. Das hatte ich schon lange vor und habe dieses Projekt wegen Amerika vorgezogen. Es geht also auf jeden Fall weiter, aber nicht mehr täglich. Viel Freude heute Abend. Auf bald & weiter also. Erk noch aus LA

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