
Arthur Brown, David Murray, Gospelchor Open Arms. Solch ein abenteuerliches Programm macht hierzulande nur einer: Markus Knierim vom Theaterstübchen in Kassel. Zu Recht wurde er für seine Arbeit zum zweiten Mal in Folge mit dem „Applaus“ in der höchsten Kategorie ausgezeichnet und bekam 40.000 € von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) Monika Grütters. Mit dieser ganz wichtigen Auszeichnung wird die Programmplanung unabhängiger Spielstätten unterstützt – und das Theaterstübchen steht für Vielfalt wie kein anderer mir bekannter Club in Deutschland. Mit seinen populären Angeboten und natürlich mit der Disko finanziert der unermüdliche Macher Konzerte, bei denen er drauflegen muss. Aber trotzdem holt er David Murray nach Kassel. Das Publikum ist vom Quartett des Tenorsaxophonisten begeistert, zumal die klassische Formation noch um den jungen Sänger & Spoken Poet Saul Williams erweitert ist. Unter den Besuchern entdecke ich einen Mann mit Hut, der aus dem Silbersee heraussticht: Arthur Brown. Am Vortag hat er die Hütte mit seiner „Fire“-Tour gerockt, jetzt will er Jazz erleben und plauscht später angeregt mit David Murray. Das gibt’s nur im Theaterstübchen.
Tags drauf beim Gospelchor ist der Laden auch wieder ausverkauft, und Markus berichtet mir vom Vorverkauf für den 11. Jazzfrühling im März 2019: von 900 Tix für das Konzert des Moka Efti Orchestras im Staatstheater sind schon 700 verkauft. Wow! Aber der Auftritt der Band aus der Serie „Babylon Berlin“ ist nur eines von 16 Konzerten beim Jazzfrühling. Was Wunder, dass Fans mittlerweile aus Köln und Stuttgart zum Theaterstübchen pilgern. Schaut’s unbedingt auf die Seite dieses Clubs, wenn Ihr in der Mitte Deutschlands vorbeikommt – http://www.theaterstuebchen.de. Vielfalt ist dort Programm und vielleicht applaudiert dort ja auch mal die umtriebige Monika Grütters.
Vielfalt gibt es noch immer im Schillerkiez im Berliner Bezirk Neukölln. Bei unserem letzten Besuch im „Sowieso“ – hier gibt’s immer frischen Jazz zu entdecken – nehme ich einen Flyer mit. Der Kiez-Kneipe „Syndikat“ wurde nach 33 Jahren gekündigt. Die Macher fragen zu recht und generell: „Wer entscheidet, wer in unserem Kiez wohnt, arbeitet und lebt? Wer entscheidet, wie unser Kiez aussehen soll und welche Geschäfte dort sein sollen?“ Im Kleinen lässt sich hier studieren, was im Großen in allen Städten passiert: mit der sog. Gentrifizierung geht die Vielfalt verloren. Schöne, neue, leere Welt. Wer schon am Berliner Hauptbahnhof ausgestiegen ist, weiß, was da auf uns zukommt. Das Ende der alten, europäischen Stadt.
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