
Die Pinakothek der Moderne in München zeigt eine kleine Werkschau Die Irrfahrten des Meese, vom Künstler selbst nach dem Odysseus-Motiv betitelt. Wie bei Odysseus soll auch bei Meese die Reise nachhause führen, dem Ziel aller K.U.N.S.T – in dieser Meese-Schreibweise die radikalisierte Form von Kunst als System, als totalste Zukunft, Gesamtkunstwerk,Chefsache. Dieses Zuhause spiegelt im Grunde Vergangenheit, ist ein Kinder-Spielland, jenseits von Ideologie, Politik, Religion, jenseits von allem „Falsch“ der Erwachsenenwelt. In ihm leben die Kindheitsmythen weiter, die Mumins, Kaptain Bligh, Dr. No, Parsifal, Odysseus, Graf von Monte Christo, Die 3 Fragezeichen und vieles Heterogene mehr, beaufsichtigt von seiner leibhaftigen Mutter, die immer noch über dieses Spielland und Spielkind wacht. Und da Meese dieses K.U.N.S.T.land als totalste Freiheitsetzt, kann er in diesem Kontext tun und lassen was ihm gefällt. Meese argumentiert nicht, er behauptet einfach, seine Redeweise ist durch und durch apodiktisch. Seine Sätze in dem kleinen Katalog zur Münchner Ausstellung lauten beispielhaft Kunst ist nährendesund dann wahlweise Kunstland, Erzland, Atlantis, Traumland, Niemandsland, Muminlandusw., immer garniert mit Ausrufezeichen. Der Kunstbengel, so der Titel eines Selbstporträts, erlaubt sich dann auch jeden infantilen Unsinn wie etwa Die Unterhosen-Schlüpferrevolution ist eine Basisrevolution! Unterhosen und Schlüpfer sind Rohstoffe der Kunst! Unterhosen und Schlüpfer sind keinerleiSpekulation! Der Erzevolutionsschritt ‚Kunst’ tut sich!, so nachzulesen im Glossar des bereits zitierten Münchner Ausstellungsheftes. Dieses Spielkind Meese will natürlich – wie alle Kinder – Aufmerksamkeit und greift dafür auf die – nicht mehr sonderlich originelle, aber immer noch wirkmächtige – NS-Masche zurück. Dazu gehören sein seit der Documenta 2012 notorisch gewordener Hitler-Gruß, seine Website in völkischer Grafik, seine ganze „Erz“terminologie und die immer wieder in seinen Bildern verstreuten Eisernen- und Hakenkreuze. Natürlich ist Meese kein Faschist, natürlich darf Kunst das alles, die Frage ist nur, ob das einerseits nicht als ästhetisch-politische Provokation längst veraltet ist, so hängen etwa nur ein Saal weiter in München zwei Werke von Anselm Kiefer, ursprünglich aus dem Jahre 1969 (!), sich selbst mit Hitlergruß zeigend. Was damals bei Kiefer noch ein riskanter Versuch war, sich hinein zu versetzen in diese Geste der totalen Unterwerfung, den Schrecken an sich selbst und in der Reaktion der Umwelt zu fühlen, und einen echten Kunstskandal auslöste, ist bei Meese nur noch Showelement. Andererseits ist dieser Umgang mit den Nazisymbolen gerade heutzutage leichtfertig zu nennen, selbst wenn man wie Meese etwas größenwahnsinnig behauptet, diese durch sein Tun erst zu dekontaminieren. Auch wenn für den Künstler nur die Kunstwelt zählt, auch wenn er diese als die einzig wirkliche definiert, so lebt er doch in einer politisch realen Welt, ist er gesellschaftlich vernetzt, sollte sich hüten vor Beifall von der falschen Seite und gerade in einer Zeit des wieder erstarkenden Rechtsnationalismus nicht beitragen zu einer schleichenden ikonografischen Akzeptanz faschistischer Symbole und Gesten. Es sei denn der Künstler verstünde sich eben wie Meese als geschichtsvergessenes Spielkind, dem unterschiedslos alles zum Spielzeug werden kann. Und so gleicht die Ausstellung in der Münchner Pinakothek der Moderne auch einem großen, hell erleuchteten Meese-Spielzimmer mit einem überdimensionalen Spielplan auf dem Boden. Alles grell, bunt, durcheinander, von der Barbie-Puppe bis zum Gralsritter, von Cowboys bis zu Riesenkraken. Alles schön und gut, aber was gehen uns die Privatmythen und Obsessionen eines ebenso genialischen wie größenwahnsinnigen Exzentrikers an? Ein dilettantisch gemaltes, spätpubertäres und postdadaistisches l’art pour l’art?
Pong
Die Irrfahrten des Meese. Noch bis 3. März 2019, Pinakothek der Moderne, MünchenKatalog zur Ausstellung hrsg. von Swantje Grundler und Bernhard Schwenk bei Walter König