Heuschrecken

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Keine Heuschrecken nirgends im Spreewald.

In den Spreewald können wir noch fahren, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Dort sind wir noch als Gast willkommen und nicht als Tourist verpönt. Wir nutzen ein Special und fahren mal wieder „Zur Bleiche“. Plüsch & Kitsch schrecken uns nicht, der sogenannte Wellness-Bereich ist prima, und es gibt dort immer noch das beste Frühstück von die ganze Welt. Freilich funktioniert das Geschäftsmodell nur noch, weil es fast ausschließlich Polinnen im Service gibt. Das weitläufige Gelände der „BLEICHE RESORT SPA“ – so die offizielle Schreibweise – liegt etwas außerhalb von Burg und fügt sich in die Landschaft. Eine Welt für sich wie die Clubs. Die Gäste haben dort alles, bleiben unter sich und fallen nicht wie Heuschrecken über Städte wie Berlin, Amsterdam oder Venedig her. Die Clubs verbrauchen zwar Land und Energie, aber sie zerstören zumindest keine bestehende Infrastruktur.

Die Konsequenzen des „Overtourism“ sind in keiner Stadt drastischer als in Venedig: dort müssen 50.000 Einwohner jährlich 30 Millionen Touristen ertragen. „Der Tourismus“, konstatiert Marco d’Eramo, „ist mittlerweile zur wichtigsten Industrie dieses neuen Jahrhunderts geworden.“ Nach der Lektüre seines Buches „Die Welt im Selfie. Eine Besichtigung des touristischen Zeitalters“ möchte ich am liebsten nie mehr verreisen. Erst recht nicht nach Venedig, und es hilft nicht sicheinzureden, im November wäre es in Venedig nicht so schlimm und eine Kreuzfahrt im Mittelmeer käme nie und nimmer in Frage. Sind wir unterwegs, sind wir auch Touristen; da können wir die Reisegruppen und Selfie-Maniacs noch so verachten.

In Widersprüchen sind wir gewohnt zu leben, mit Widerstand werden wir Touristen künftig rechnen müssen. Das ist wohl die einzige Chance, seine Lebenswelt zu erhalten. „Ureinwohner töten Missionar mit Pfeilen“, lese ich auf der letzten Seite im Berliner Tagesspiegel vom 23.11.18. Er gehört zum Stamm der Sentinelesen im Indischen Ozean. Der BBC zu Folge seien sie vor 55.000 Jahren (!) aus Afrika gekommen und konnten „über all die Jahrtausende ihre Lebensweise“ bewahren. Hoffentlich bleiben sie jetzt auch weiter von kirchlichen und weltlichen Missionaren verschont. „Im Jahr 1996“, so steht in der Zeitung geschrieben, „hat die (indische) Regierung Kontakte mit den Sentinelesen offiziell verboten. Die indische Marine überwacht die Schutzzone.“ Gut so!

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