The Dark Side of the Moon

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Before the Dark Side of the Moon. (Foto: Berthold W. Franke)

Den sog. Neuen Kreativen sagt man gerne einen singularisierten Lebensstil nach: einzig- und eigenartig soll alles sein. Nicht leicht, da eine passende Silvesterveranstaltung zu finden, den Original Roncalli Weihnachtscircus mit dem Deutschen Symphonieorchester Berlin wollen zum 15jährigen Jubiläum ja nicht nur wir erleben. Was tun? Wir schnappen uns die Gäste aus Hindustan, sitzen mit ihnen in der Manege-Loge und fühlen uns singulär wie Bolle. Das Programm ist fabelhaft – die Artisten, das Orchester und die Sängerin im „Fischkleid“. Einzig Chistirrin kann als Pausenclown keinen poetischen Zauber entfalten. Dafür stockt uns der Atem zum Finale, als Kong Haito Stuhl auf Stuhl stapelt und dann unter der Kuppel des Tempodroms auf einer Hand balanciert. Solche Hochstuhlartistik haben wir noch nicht erlebt, auch nicht unsere weitgereisten deutschen Hindi-Gäste. Was Wunder, dass Kong beim 39. Internationalen Nachwuchsfestival „Cirque de Demain“ die Goldmedaille gewonnen hat – und aus China kommt.

In der Silvesternacht weiß hierzulande kaum einer, dass die Chinesen noch höher hinaus wollen. Die punktgenaue Landung einer Weltraumsonde auf der erdabgewandten Seite des Mondes ist ein Coup, vergleichbar mit dem Sputnikschock Ende der 50er Jahre. Donnerwetter! Das hat die Werkbank der Welt geschafft, das haben die Industriespione alleine hinbekommen. Zu diesem Paukenschlag passen zwei weitere Meldungen aus dem Reich der Mitte. Der Onlinehändler Alibaba baut in Belgien ein riesiges Logistik-Zentrum, und Präsident Xi Jinpeng droht Taiwan unverhohlen mit gewaltsamer „Wiedervereinigung“. Nicht mehr lange bleiben die Amerikaner die No. 1 der Supermächte, immer weniger zählt die Stimme eines uneinigen Europas in der Welt. Dass die Chinesen führend bei der digitalen Kontrolle und Steuerung der eigenen Bevölkerung sind, macht die Lage nicht gemütlicher, im Gegenteil.

Man lebte hinter dem Mond, würde man die Bedeutung der letzten beiden Medienskandale unterschätzen. Der Reporter Claas Relotius narrte die Dokumentation beim „Spiegel“ und manche Jury, und der Schriftsteller Robert Menasse schrieb gleich das Leben von Walter Peter Hallstein ein bisschen um. Den sog. Qualitätsmedien haben die beiden Spiegelfechter damit einen Bärendienst erwiesen und spielen all denen die Hände, für die News und Fake längst eins geworden sind. Von einer solchen „Eclipse of Reason“ hätten Horkheimer und Adorno nicht zu träumen gewagt. Es ist ein allherrschender Wahn, der da alltäglich als Wahrheit daherkommt.

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