
So kann eine Reise beginnen. Der ICE taucht pünktlich vor dem „Zukunftsbahnhof“ Berlin-Südkreuz auf, fährt langsam ein – und bleibt liegen. Oha, da kommt Freude auf, denn so eine Panne habe ich nach über 500.000 km noch nie erlebt. Die Lichter gehen aus, die Crew verlässt das Cockpit, kommt wieder zurück und legt den Rückwärtsgang ein. Nichts passiert, nichts geht mehr. Wie kann denn das passieren? Der Zug kommt nicht aus Moskau, sondern vom Gesundbrunnen (!) in Berlin und ist gerade mal zwanzig Minuten unterwegs! Ich werde von einem anderen Zug „aufgenommen“ und beobachte per App, dass auch der liegen gebliebene ICE Frankfurt mit einer Stunde Verspätung erreicht. Lieber später als besoffen. Gestern hielt ein ICE nicht in Wittenberg – der Lokführer hatte fast 2,5 Promille.
Kaum in Frankfurt bin ich auch schon wieder auf der A3 Richtung Köln unterwegs. Ich besuche einen Freund in Bad Camberg. Als ich die Klinik verlasse und wieder im Auto sitze, höre ich im Deutschlandfunk die letzten Minuten einer Reportage, die mich sofort interessiert: „Sterben nach Plan. Protokoll einer letzten Reise“. Zum Glück gibt’s ja die DlF Audiothek zum Nachhören. Doch ich bleibe live dran und werde von dem Feature „Menschen ohne Gesicht. Ein Kapitel aus dem Ersten Weltkrieg“ in den Bann gezogen. „Auf deutscher Seite“, lese ich später auf der Seite des Senders, „überleben etwa 1,5 Millionen Kriegsversehrte den ersten industrialisierten Krieg: arm- oder beinamputierte oder erblindete Soldaten. Und Soldaten mit von Granatsplittern zerfetztem Gesicht. Diese Heimkehrer waren nicht resozialisierbar. Sie konnten den entsetzten Blicken der Öffentlichkeit nicht standhalten, lebten weltabgeschieden dahin, isoliert von der Gesellschaft, ohne Arbeit, ohne Würde.“ Der Beitrag läuft noch, als ich schon mein Auto im Hof abgestellt habe; gebannt höre ich weiter zu. Kein Theaterstück, keine Oper, kein Film hat mich in letzter Zeit so beeindruckt.
Tags drauf tanke ich in Zwingenberg. Ein Mann aus Pforzheim wünscht mir im Neuen Jahr immer eine gute Fahrt. „Ich bin aber nicht der Tankwart“, antworte ich überrascht. Er freut sich und lacht. Kürzlich erst habe ich entdeckt, wie ich mittels Bluetooth Handy & Anlage im Auto verbinden kann – und höre auf der Rückfahrt endlich den Beitrag vom Vortag zu Ende. Wieder steige ich erst aus, als schon der Abspann läuft. „Sie wollen gemeinsam sterben. Sie sind alt, aber nicht todkrank. Sie kennen den genauen Ablauf der Sterbebegleitung…“ Das Ehepaar, bald 50 Jahre verheiratet, möchte nicht mehr weiterleben, möchte nicht pflegebedürftig werden. „Ich habe keine Angst vor dem Sterben“, sagt die Frau ruhig und gefasst. Sie wird die tödliche Infusion selbst öffnen. Auch so kann eine Reise in die Schweiz enden.
Ping
Auch ich habe den Beitrag über die Kriegsopfer irgendwo gelesen, wahnsinn! Wer um himmels willen will noch für die Ehre des Vaterslandes sich so verstümmeln lassen? Hatte neulich den Film „Franz“ gesehen, ein Film über den 1 Weltkrieg oder besser nach ihm. Selten habe mich ein Film so verstört zurückgelassen. Besser man simmuliert Leben im Film um es im wirklicheh Leben möglichst zu vermeiden. Aber auch das ga es damals: tolle Romane mit viel Tiefgang, genützt hatte es nicht viel, leider , es sind die Massen die ein Land mit in den Angrund stürtzen kann.
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