
„Wir bringen euch hin. Hamburg liegt jetzt an der Spree“, lese ich überrascht im Display des Fahrscheinautomaten. Wir trauen der BVG durchaus weniger zu und buchen lieber bei der krisengeschüttelten Deutschen Bahn. Freunde haben uns zu einem Wochenende eingeladen – und schwups sind wir auch schon da. Eine zweite Hörprobe in der Elbphilharmonie steht erst morgen an, aber „68. Pop und Protest“ geht immer. Die großartige Ausstellung saugt uns förmlich an. Bilder, die zum kollektiven Gedächtnis gehören, werden projiziert, ein Fackel-Lauf der Studenten in Berlin läuft als Endlos-Schleife. Wir erleben 1968 hautnah in Filmausschnitten und Dokumenten; der dunkle Raum im „Museum für Kunst und Gewerbe“ nimmt uns mit in eine aktuelle Vergangenheit, als noch Hoffnung auf gesellschaftlichen Fortschritt war. Aufbruch auch in der Musik, in der Mode und im Design, wenn auch die Ästhetik der originalen Kantine des „Spiegel“ heute doch sehr befremdet.
In der Elbphilharmonie fühlen wir uns heimisch, sitzen fabelhaft und staunen wieder über dieses Meisterwerk moderner Architektur, das uns dieses Mal auch akustisch überzeugt, beim gewaltigen 1. Klavierkonzert von Brahms ebenso wie bei seiner letzten Sinfonie. Die Instrumente lassen sich einzeln ausmachen und finden doch zu einem großartigen Klang unter Kent Nagano zusammen, obwohl man sich nur in der Generalprobe auf die schwierige Akustik in der Elbphilharmonie einstellen konnte. Am Abend davor verließ das Publikum reihenweise das Haus, weil es nichts von seinem Star hören konnte. Jonas Kaufmann war darob so erbost, dass er nie wieder in der Elbphilharmonie auftreten möchte.
Die Suche nach dem Klang beschäftigt auch das Eröffnungsfestival „100 Jahre Bauhaus“ in der Berliner Akademie der Künste. Gibt es einen „Bau.Haus.Klang“? Wer da nur formal an Zwölftonmusik oder gar Minimal Music denkt, wird vom furiosen Auftritt einer Gruppe um Michael Wollny eines Besseren belehrt– klanggewordene Dialektik von formaler Strenge und Experiment & Ekstase. In diesem Geist des Widerspruchs ist das ganze von Bettina Wagner-Bergelt kuratierte Festival zu verstehen, das klug auf big names wie Wollny und Robert Wilson setzt und gleichzeitig kaum bekannten Klangtüftlern wie dem originellen Instrumentenbauer Ferdinand Försch eine Bühne bietet. Das gefiel auch dem Bundespräsenten Frank Walter Steinmeier, der seine prägnante Rede mit einem Wort von Robert Gernhardt schloss: „Gut gefühlt / Gut gefügt / Gut gedacht / Gut gemacht.“ Lob an das gesamte Festival-Team. Gut gemacht!
http://www.bauhausfestival.de/news/
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