2828

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Heil war die Welt auch in Einbeck nie.

Niemals werde ich diese Nummer vergessen. Das Telefon meiner Großeltern stand im kleinen Atelierarbeitszimmer meines Großvaters in Einbeck auf einem Ekawerk-Schreibtisch. Es war weiß, schwer und immer gleich. Ferngespräche am Tag waren unerschwinglich, auch abends nach 18 Uhr fasste man sich kurz. Später kamen dann Tastentelefone auf, aber die alten Geräte mit der braunen Schnur waren unverwüstlich; man konnte sie jahrzehntelang benutzen. Das ist heute anders. Die Telefone in unserem Bürohaus in der V53 sind erst ein paar Jahre alt und funktionieren noch tadellos. Aber sie müssen weg, weil die aktuelle Software nicht mehr auf den Geräten läuft und es irgendwann keinen Support mehr gibt. Also kommen die Telefone zum Elektroschrott und landen in der Dritten Welt, wo arme Teufel sie dann verwerten. Nach uns die Sintflut, wie immer. Längst schon geht der sogenannte Fortschritt von der Software aus – updaten oder abfallen.

2828. Wie herrlich einfach waren die Zeiten. Ein Telefon war zum Telefonieren da und hielt ein Leben lang. Nach dem Gespräch war die Vernetzung zu Ende, Daten konnten nicht gesammelt werden. Mein Großvater starb 1976, ich war damals gerade in Griechenland und erfuhr von seinem Tod erst später, weil ich auf Lesbos unerreichbar war. Niemand wusste genau, wo wir am Meer unser Zelt aufgeschlagen hatten.  Was für ein Glück, was für ein Pech. Heute bin ich (fast) immer erreichbar und hinterlasse nolens volens permanent digitale Spuren, ohne zu wissen, wer meine Daten sammelt und damit Geld verdient. Noch werden diese Daten nicht genutzt wie in China, um sozial unerwünschtes Verhalten zu sanktionieren, aber längst werden über Social Media Stimmung und Politik gemacht.

Was tun? Es gibt keinen Weg zurück in die scheinbar heile Welt von 2828, aber ob demokratische Staaten auf Dauer der Verlockung von „Überwachen und Strafen“ widerstehen, daran habe ich mehr Zweifel denn je. „Nur wenn, was ist, sich ändern lässt“, schrieb Adorno einst, „ist das, was ist, nicht alles.“ Nicht einmal das, was ist, ist noch sicher, etwa das Friedens- und Zukunftsprojekt Europa.  Das schert die Populisten einen Dreck, und die Brexitiers sind die allerschlimmsten. Dieser Tage hörte ich ein Interview im Deutschlandfunk mit einer Labour-Abgeordneten. Sie hatte Arbeiter in einer Fabrik gefragt, wie sie denn beim Referendum abgestimmt hätten. Die meisten konnten sich nicht mehr erinnern (!), und alle sind inzwischen natürlich gegen den Austritt aus der EU. Verstehe einer die Menschen. Her also mit einem zweiten Referendum und weg mit Theresa May! Immediately.

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