
Die Party ist vorbei, Techno ist in der Stadtbücherei angekommen. Dort stellt mein Freund Christian „Harry“ Arndt sein kürzlich erschienenes Buch „Electronic Germany“ vor. Das Interesse ist groß, die Stuhlreihen sind fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Zum Glück gibt es keine typische Wasserglas-Lesung, sondern DJ Eastenders befragt den Techno-Experten, und es entwickelt sich ein munteres Gespräch, zu dem sich später noch Chris Liebing und Ralf Hildenbeutel gesellen; beide arbeiten heute vor allem als Produzenten. Denn die große Zeit der Techno-Hauptstadt Frankfurt ist längst perdu, „Dorian Gray“, Omen“ und „Vogue“ sind Geschichte. Heutzutage gibt es nur noch Mega-Events, aber keine kreative Club-Szene mehr, zumindest nicht in Frankfurt. Bezeichnenderweise fällt Chris Liebing überhaupt keine aktuelle Frankfurter Location ein; allenthalben ist von Berlin und vom „Berghain“ die Rede. Immerhin gibt es aber in Frankfurt das „Tanzhaus West“ und in Offenbach das „Robert Johnson.
Christian arbeitete übrigens jahrelang bei FRIZZ Das Magazin für Frankfurt als Musikredakteur, und es versteht sich von selbst, dass in der aktuellen Ausgabe ein großes Interview mit ihm steht. Sein Lieblingsclub war damals das legendäre „Dorian Gray“, wo ich selbst ein paar Mal gewesen bin, professionell gewissermaßen, denn Techno war nie mein Ding. Trotzdem macht es auch mir Spaß, in dem klasse von Alexander Branczyk („Frontpage“) gestalteten Buch zu blättern und zu lesen, in dem natürlich auch Bilder des Szene-Fotografen Ernst Stratmann nicht fehlen dürfen. Er hat nie bloß dokumentiert sondern war immer mittenmang, wie er erzählt. Bestimmt wäre Axel mit zu dieser ungewöhnlichen Buchvorstellung gekommen,obwohl auch er beileibe kein Techno-Freak gewesen ist; schließlich waren wir drei anno 1998 zusammen beim North Sea Festival in Den Haag, Da ich diese Zeilen schreibe, wird mir bewusst, dass heute in einer Woche seine Beerdigung in Reutlingen schon wieder Vergangenheit sein wird.
Noch eine Vergangenheit. In den CD’s von Axel finde ich das Album „Bach to the Future“ von Jacques Loussier. Der französische Pianist starb kurz nach ihm, und wie Loussier zum Jazz fand, das hätte Axel sicherlich gefallen: „Das Malheur passierte während der Prüfung: Mitten in einem Stück von Johann Sebastian Bach verliert der Klavierstudent des Pariser Konservatoriums den Faden und muss improvisieren, bis er endlich wieder zum originalen Notentext zurückfindet.“ (Tagesspiegel, 26.10.2014) Solch ein Malheur passiert, wie das Leben. „Nicht die Jahre in unserem Leben zählen, sondern das Leben in unseren Jahren.“ Auf dieses Wort von A. E. Stevenson bin ich am Dienstag in einer Traueranzeige gestoßen; rechts neben mir steht die Giraffe von Axel.
Christian Arndt, Electronic Germany, Edel Books
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Für uns wird Axel nie Vergangenheit sein.
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