Señor Roy y el mar

btfmdn
Bobby (links), Señor Roy und Peng.

Wir sind in Máncora, dem beliebtesten Surfer- und Partystädtchen Perus, angekommen und trotz der langen Busfahrt gut ausgeruht. Die Schlafbusse (bus camas) sind äußerst komfortabel – und wir sofort Fans. Einzig das bereits sehr warme Klima schon am Morgen macht uns für einen kurzen Moment zu schaffen. Vor dem Busbahnhof erwarten uns direkt schon einige marktschreierische Tuk-Tuk Fahrer, und wir machen uns in einem der wackeligen Gefährte auf den Weg zur Unterkunft. Die Fahrt geht schnell, Máncora ist mit seinen ca. 10.000 Einwohnern überschaubar und eine angenehme Abwechslung zur Metropole.

Um dem Trubel des Ortes zu entgehen,  haben wir eine Unterkunft etwas außerhalb gewählt. Es gibt einen netten Garten, wir haben einen Balkon und wohl am wichtigsten: direkten Zugang zum Strand. Bei Ankunft schläft lediglich ein Mann in einer Hängematte unter einer der Hütten, und es bedarf mehrmaligem Pfeifens unseres Fahrers bevor er aufwacht: es ist Señor Roy! Er nimmt uns herzlich in Empfang und soll im Laufe der drei Tage hier zu einem neuen Freund werden.

Wir drehen erst mal eine Runde, machen Besorgungen und holen uns den ersten, leichten Sonnenbrand. Zurück in der Anlage installiert uns Roy noch einen Mosquitero über einem der Betten; wir verabreden uns auf ein Bier am Abend. So sitzen wir dann alle zusammen, trinken und unterhalten uns. Mein Spanisch wird immer besser und Roy drückt sich bewusst so aus, dass ich ihn auch sicher verstehe. Zum Bier gibt es lokalen Rum und hausgemachten Ziegenkäse von einer Verwandten der Gärtnerin mit Syrup vom Johannisbrotbaum. Es sind diese Momente, die man einfach nicht buchen oder planen kann. Roy erzählt uns von seinem Leben: Er kommt eigentlich aus Lima und hat früher Autos verkauft, jetzt mit 66 arbeitet er seit einem halben Jahr hier und wird das machen bis er stirbt, wie er sagt. Zurück in die Stadt wolle er nicht, warum auch? Hier ist das Meer, die Natur und das gute Leben. Er wirkt zutiefst zufrieden und im Reinen mit sich. Sein Schlafzimmer ist direkt unter unserem, auch er schläft in einem Stockbett und die Tür steht immer offen; auch nachts. Direkt neben der Hütte befindet sich noch eine kleine offene Küche – was braucht man auch mehr?
Das Bier ist irgendwann alle,  und wir gehen gemeinsam in die Stadt, um Nachschub zu besorgen. Auf dem Weg treffen wir eine kleine Gruppe junger Leute, sie machen eine Pause am Wegesrand. Roy wünscht ihnen viel Glück für die Reise; es sind Venezolaner auf dem Weg gen Süden. Vielleicht werden auch sie bald in den Bussen Limas Süßigkeiten verkaufen oder weiterziehen nach Chile, wie viele andere es machen… Wir trinken noch das letzte Bier und verabreden für morgen zum Fischgroßmarkt.

Die erste Nacht ist erholsam, auch wenn das Rauschen des Meeres irgendwann von den ersten Tuk-Tuks auf dem Weg zum Hafen abgelöst wird. Wir frühstücken Obst und gehen schwimmen. Good life! Roy ist im Garten am Werkeln und lädt uns direkt noch auf einen frischen Guanábana Saft ein. Er kümmert sich in der Anlage um alles, wie es scheint.  Als ich ihn anspreche ist er trotzdem sofort bereit mit uns zum Fischgroßmarkt zu gehen – doch wir haben kein Glück. Es gibt nur ganze Thunfische, die zu groß und auch zu teuer sind. Der Rest des Tages zieht gemächlich an uns vorüber. Am Abend sitzen wir auf dem Boot am Eingang der Hospedaje am Strand, bestaunen den Sonnenuntergang und trinken Bier. Dieses Mal ohne Roy.

Der Kopf brummt ein bisschen, als ich aufwache – es ist nicht bei einem Bier geblieben – schon klopft es an der Tür. Es ist Roy, er hat uns Bananen gebraten! Wir freuen uns über das unverhoffte Frühstück und quatschen ein bisschen. Auf zum Fischmarkt, einen neuen Versuch wagen. Roy ist entschlossen, denn er möchte Ceviche zubereiten. Einer der Fischer holt einen großen Fisch aus einem der LKW und nimmt ein Stück Eis in die Hand. Mit dem Eis malt er auf den trocken Betonboden: 12 x 7 = 84. Wieder zu viel, wieder zu teuer. Was uns schon gestern klar war, wird hier noch deutlicher: Alleine wären wir bei den abgebrühten Fischern und Hafenarbeitern nicht weit gekommen.

Der Plan wird kurzerhand geändert und wir fahren zum lokalen Markt in die Stadt und werden fündig: zwei kleinere Bonitos für 18 Sol. Plötzlich nähert sich ein Mann. Er sagt etwas Unverständliches, in seiner Hand hält er einige Münzen. Es ist mir nicht ganz klar, ob er betrunken ist und was er von uns möchte, doch er wirkt definitiv ein bisschen verwirrt. Roy schaltet sich ein: „Hör auf die Leute zu belästigen!“ Der Mann wendet sich Roy zu: „Was, wenn nicht? Und was ist das Ende der Diskussion?“ Es soll das einzige Mal bleiben, dass er einen harten, ernsten Gesichtsausdruck zeigt: „Das Ende der Diskussion ist, dass du die Leute in Ruhe lässt und gehst!“ Der Mann nähert seinen Kopf Roys, schaut ihm kurz ins Gesicht, lacht und verschwindet dann, aber nicht ohne Roy davor die Hand zu schütteln und seinen Respekt zu äußern. Wir lassen uns noch die Vielzahl der uns unbekannten Früchte und Gemüse erklären, kaufen ein und fahren mit vollen Tüten zurück.

Angekommen in der Anlage essen wir Pacay und Lucuma, während Roy in der Küche den Fisch zubereitet und Saft macht. Das Essen ist köstlich! Es gibt die beste Ceviche der Reise und Sudado de Pescado als Hauptgericht mit Yuca und Süßkartoffel. Roy kocht, besteht aufs Spülen und ist auch sonst mehr als zuvorkommend. Ich schreibe nach dem Essen direkt eine gute Bewertung fürs Internet und lobe ihn darin ausdrücklich. Sein Chef wird sie am Tag darauf lesen und ihn anrufen, um sich zu bedanken. So ist der Plan und so soll es sein. Die Unterkunft ist gut, obwohl sie noch dabei sind die Anlage auszubauen, doch unser Highlight ist definitiv die große Gastfreundschaft.

Die drei Tage sind sonst ruhig gewesen, so wie es am Strand meistens der Fall ist,  und ehe wir uns versehen, sitzen wir über dem letzten Bier zusammen. Er hat nochmal frischen Käse besorgt und es gibt die Reste des Mittagessens. Wir unterhalten uns über die Pläne der kommenden Wochen und Roy gibt uns eine Menge wertvoller Tipps. Ich notiere zudem noch eine Vielzahl von Früchten und Gerichten, die wir in den verschiedenen Gebieten probieren sollen. Da der gestrige Abend uns noch in den Knochen steckt, verabschieden wir uns früh ins Bett, um am nächsten Morgen ausgeruht noch eine Runde schwimmen zu gehen.

Die Sachen sind gepackt und die Tickets haben wir bereits am Vortag besorgt. Der nächste Stop Chachapoyas wäre einfach zu erreichen, doch wir nehmen einen Umweg, der Abenteuer und tolle Landschaften verspricht. Roy ruft uns ein Tuk-Tuk und wir verabschieden uns herzlich bis zum nächsten Mal, welches es sicherlich geben wird, sollte ich wieder nach Perú reisen. Er bedankt sich für die Bewertung und erzählt uns vom Anruf seines Chefs. Eine lange Umarmung und er teilt uns noch mit, dass er sich freut zwei neue Freunde gefunden zu haben. Wir geben es zurück und rollen schon die staubige Straße hinauf in Richtung Busbahnhof. Roy hat einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Der Mann, der nicht wie 66 wirkt, hat eine gesunde Einstellung zum Leben und seiner Umwelt und eine noble Bescheidenheit an sich, die zum Nachdenken anregt. Wir überqueren die Brücke zum Dorf und im Schatten zu unserer rechten rastet wieder eine Gruppe junger Menschen. Auch sie sind Venezolaner auf der Suche nach einem besseren Leben.

Peng

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s